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Damit sie gute
Ehefrauen sind

ARD-Zeitreise mit der Bräuteschule

Von Bettina Grachtrup
Mengerschied (dpa). »Jetzt mal ein bisschen Tempo. Wir wollen hier Hochglanz bringen!« Oberlehrerin Antje Limbrock treibt die drei jungen Frauen an, die den Boden wienern, die Fenster putzen und das Sofa ausklopfen.

Zu lachen haben die Mädchen wenig, und Widerworte sind nicht erwünscht in der Hauswirtschaftsschule anno 1958. Die »Bräuteschule« ist das neue Projekt der ARD, bei dem sich Menschen von heute auf eine Zeitreise begeben und sich von Kameras beobachten lassen. Ziel ist es, zehn Schülerinnen zwischen 17 und 23 Jahren zu »respektablen Ehefrauen« zu erziehen. Wie es ihnen dabei ergeht, ist von Oktober an in 16 Folgen im Vorabendprogramm zu sehen.
Schauplatz der neuen »Living History«-Serie ist das abgeschiedene Soonwaldschlösschen bei Mengerschied im Hunsrück. Hier lernen die Mädchen sechs Wochen lang Kochen, Bügeln, Waschen, Putzen, Tanzen und Benehmen - und zwar so, wie es vor 50 Jahren üblich war. Übernachtet wird in Drei-Bett-Zimmern. Die Frauen tragen graue, lange Kleider. Die Gemeinschaft zählt mehr als die eigene Freiheit. Die Lehrerinnen sind die Autoritäten und Frauen den Männern untergeben.
Mit der »Bräuteschule« will die ARD an ihren Erfolg anknüpfen, die sie vor vier Jahren mit dem »Schwarzwaldhaus 1902« hatte, obwohl einige der nachfolgenden Projekte nicht mehr so viele Zuschauer lockten. »Das Jahr 1958 ist etwas näher am Publikum dran. Durch Erzählungen von den Eltern und Großeltern kennt man die Zeit«, meint ARD-Sprecher Burchard Röver. Die 50er Jahre seien aber nicht so »hipp« und schön gewesen, wie sie heute oft dargestellt würden.
»Frau Direktor« der Bräuteschule ist Barbara Dittrich (47). Sie unterrichtet auch im wirklichen Leben an einer Hochschule angehende Lehrer im Fach Haushalt/Textil. Oberlehrerin Antje Limbrock (39) will den jungen Frauen ein paar Werte vermitteln. »Gemeinschaft ist für mich etwas ganz wichtiges«, sagt die verheiratete Mutter von vier Kindern.
Leicht ist das Leben in der »Bräuteschule« nicht. »Ein Mal in der Woche zu duschen, war für uns alle ziemlich schwierig«, erzählt die 17-jährige Maike. Ihre Bettnachbarin Melanie (23) klagt, dass sie »so hässlich« sei. Eigentlich trägt Melanie Kontaktlinsen und orange getönte Haare - jetzt sind es eine dicke Brille und Zöpfe. Madeleine (22) sagt: »Sobald wir in dem grauen Kostüm waren, waren wir eine Gruppe und hatten eigentlich keine eigene Persönlichkeit mehr.«

Artikel vom 08.06.2006