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»00Becks« schwierigste Mission

Englands Kapitän David Beckham zwischen Fußballhimmel und -hölle

Bühlertal (dpa). Himmel oder Hölle, Leitwolf oder Leidfigur - für David Beckham beginnt in Deutschland die schwierigste Mission seiner Laufbahn. Fußball-England erwartet bei der Weltmeisterschaft von dem 31 Jahre alten Kapitän das Ende der 40 Jahre langen Titel-Tristesse.

»00Becks« will eine Rechnung mit der Öffentlichkeit begleichen und endlich die schwarzen Flecken ausradieren, die seit acht Jahren sein schillerndes Fußball-Leben verdunkeln. Trainer Sven-Göran Eriksson weiß: »David ist richtig heiß auf die WM.«
»Wir haben die beste Mannschaft und die besten Spieler seit zehn Jahren. Ich glaube, wir können Weltmeister werden. Das Team ist stark, der Glaube groß - wir sind bereit«, hat Beckham den englischen Fans vollmundig versprochen. Sein 90. Länderspiel-Einsatz beim WM-Start am Samstag gegen Paraguay ist nicht in Gefahr. Die Verletzung am rechten Knöchel ist ausgeheilt, gestern absolvierte er in Bühlertal das volle Trainingspensum.
Seit dem 30. Juni 1998, dem Tag des WM-Achtelfinales gegen Argentinien in St. Etienne, haftet Beckham der Makel an, an Misserfolgen schuld zu sein. Nach einem dummen Revanchefoul an Diego Simone musste er damals in der 47. Minute mit Gelb-Rot vom Platz, und England schied im Elfmeterschießen aus. »No one wants you Beck« (keiner will dich zurück - keiner will dich, Beckham). Mit diesem Wortspiel brachte das Massenblatt »The Sun« die damalige Stimmung zum Ausdruck. Der »wehleidige Schönling« war der bestgehasste Engländer. Man genoss »Becks« Sündenfall, denn sein rasanter Aufstieg zum Fußballmillionär und glitzernden »Spice Boy« passte nicht in die Welt der Yellow Press. Sie reagierte mit Hohn und Spott auf den Absturz des Emporkömmlings.
Beckham überstand die Schmutzkampagnen, doch das Image als Sündenbock wurde er nicht mehr los. Für das blamable Vorrunden-Aus bei der EM 2000 wurde er ebenso zur Verantwortung gezogen wie für den Viertelfinal-K.o. gegen den späteren Weltmeister Brasilien bei der WM 2002. Der 6. Oktober 2001 hatte daran nichts ändern können, obwohl er England mit seinem entscheidenden Tor gegen Griechenland in letzter Minute zur WM nach Fernost schoss.
Beckhams Hoffnungen, die Öffentlichkeit bei der EM 2004 milde stimmen zu können, erfüllten sich nicht. Beim Vorrundenauftakt gegen Frankreich verschoss er einen Elfmeter - der Titelverteidiger gewann mit 2:1. Und im Viertelfinale gegen Gastgeber Portugal versagten ihm im Elfmeterschießen erneut die Nerven, England schied aus, und die Boulevardpresse verhöhnte den Kapitän als »Bananen«-Beckham, weil er vor seinem Fehlschuss wie auf einer Banane ausgerutscht war. Trainer Eriksson hat inzwischen reagiert und Frank Lampard (FC Chelsea) zum Strafstoßschützen Nummer 1 bestimmt.
Für Medien, Werbeindustrie und Beckham selbst ist die Story vom gefallenen Engel ein Glücksfall. Mit einem Jahreseinkommen von 25 Millionen Euro ist er einer der am besten verdienenden Fußballer der Welt, sein Vermögen wird auf 111 Millionen Euro taxiert.

Artikel vom 08.06.2006