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»Jeder versucht sich, auf Kosten des Koalitionspartners zu profilieren.«

Leitartikel
Koalitionsspiele

Sportlich
fair geht
es nicht zu


Von Dirk Schröder
Die Begeisterung ist ungebrochen hoch. Ganz Deutschland fiebert dem morgigen Anstoß bei der Fußball-Weltmeisterschaft entgegen, die Zahl der WM-Gegner ist auf nicht einmal sechs Prozent gesunken.
Das ist eine Euphorie, von der die Große Koalition in Berlin derzeit nur träumen kann. Von dem Teamgeist, den Bundestrainer Jürgen Klinsmann zusammen mit seiner Mannschaft ausstrahlt, ist zwischen SPD, CDU, CSU und einigen Unions-Landesfürsten im Augenblick wenig zu spüren.
Eher das Gegenteil ist der Fall: Der Ton zwischen den Koalitionären wird rauer, und die Unions-Ministerpräsidenten müssen aufpassen, dass sie nicht ein Selbsttor schießen.
Dabei ist es gerade einmal ein gutes halbes Jahr her, dass sich Union und SPD mit großer Zuversicht in das Spiel gestürzt haben, das sich Große Koalition nennt. Aus Gegnern waren plötzlich Mitspieler geworden, mit dem einen Ziel: Deutschland wieder an die Spitze zu bringen.
Abgepfiffen werden soll dieses Spiel eigentlich erst 2009, doch schon 2006 ist eingetreten, was die Gegner der Großen Koalition von Anfang an befürchtet haben. Jeder versucht sich auf Kosten des Koalitionspartners zu profilieren. Der neue SPD-Chef Kurt Beck schielt schon auf die Liberalen als neuen Partner - noch bevor die Große Koalition ihre Arbeit so richtig aufgenommen hat. Das nennt man unsportliches Verhalten.
Und Edmund Stoiber, Roland Koch, Christian Wulff und Co. versuchen sich bereits für ihre eigenen Ambitionen in Stellung zu bringen. Noch sind es nur versteckte Fouls, ein geschlossenes Mannschaftsspiel sieht jedoch anders aus.
Beim Streit um Hartz IV geht es den Ministerpräsidenten doch nur vordergründig um eine Sachauseinandersetzung. Diese Reform haben auch sie mitbeschlossen. In Wirklichkeit haben sie es nicht verwunden, dass mit Angela Merkel eine Frau an ihnen vorbeigestürmt ist. Und sie sind zudem unzufrieden mit ihr, weil sie sich beim Gleichstellungsgesetz angeblich von der SPD über den Tisch hat ziehen lassen. Dabei vergessen die Herren - sehr bewusst -, dass unter gleichstarken Partnern der Spielraum enger ist. Eine FDP bekäme nicht so viel Spielraum. Es ist Stoiber, Koch oder Wulff schon klar, dass sie vor allem die Autorität Merkels untergraben.
Sie werden ihr Spielchen nicht so weit treiben, die Kanzlerin im Bundesrat im Regen stehen zu lassen. Doch ihr Warnschuss hat gesessen, die Position Merkels alles andere als gestärkt.
Dabei liegen die großen Brocken mit Föderalismus- und Gesundheitsreform noch vor der Koalition. Wenn nicht alle zur Besinnung kommen, wird das Spiel vorzeitig abgebrochen.
Die Fußball-WM ist ein guter Anlass, darüber einmal nachzudenken.
Zu Recht werden sie vom Zuschauer, sprich Wahlbürger, ausgepfiffen: Die Sympathieverluste der Koalition sind bedenklich.

Artikel vom 08.06.2006