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Observation
zur Fußball-WM
hat begonnen

Mutmaßliche Islamisten im Visier

Von Christian Althoff
Minden (WB). Kriminalbeamte aus Bielefeld haben gestern mit der fünfwöchigen Observierung zweier mutmaßlicher Islamisten aus Minden und Porta Westfalica begonnen. Das Innenministerium will mit dem Polizeieinsatz mögliche Gewalttaten der Männer zur Fußballweltmeisterschaft verhindern.
Warten und beobachten: Von diesem Auto aus observieren Kripobeamte seit gestern das rote Backsteinhaus, in dem Usama A. lebt. Foto: Althoff
Ein Fünffamilienhaus am Stadtrand von Porta-Westfalica. Etwas abgesetzt stehen zwei Zivilwagen der Polizei, aus denen vier Beamte das rote Backsteinhaus im Blick haben. Im ersten Stock wohnt Usama A. (39) mit seiner Frau und seinen sechs Kindern im Alter zwischen drei und zwölf Jahren. 1996 war der Lehrer aus Ägypten nach Deutschland gekommen, weil ihm in seiner Heimat 40 Jahre Haft drohten: Er war einer der Anführer einer militanten ägyptischen Islamistengruppe. In Ostwestfalen steht der Ägypter deshalb seit Jahren unter Beobachtung des Staatsschutzes, der zeitweise auch einen muslimischen Informanten auf Usama A. angesetzt hatte. Der Informant war allerdings psychisch schwer krank und hatte im vergangenen Jahr bei einem Treffen mit Polizisten in einem Bielefelder McDonald's-Restaurant ein Messer gezogen. Ein Beamter hatte den Mann daraufhin in Notwehr erschossen.
»Ägyptens Präsident Mubarak ist ein Diktator«, sagt Usama A. Trotzdem habe er dem gewaltsamen Kampf gegen die Regierung abgeschworen und seine Weggefährten schon im Jahr 2000 von Deutschland aus über die Sender CNN, BBC und Al Dschasira aufgefordert, die Waffen niederzulegen, erzählt der anerkannte Asylbewerber.
In der Mindener Al-Rahman-Moschee soll der Lehrer allerdings im Jahr 2001 als Prediger alles andere als versöhnliche Töne angeschlagen haben. Auf einer Tonbandkassette, die der Generalbundesanwalt 2003 bei einer Razzia entdeckt hatte, ist zu hören, wie Usama A. zum »Heiligen Krieg« aufruft, sich von der Demokratie distanziert und erklärt, Ungläubige dürften getötet werden.
»Das ist nicht meine Meinung«, wehrt der 39-Jährige mit den kurzgeschnittenen, schwarzen Haaren ab. Diese Zitate, wegen derer er sich demnächst vor dem Amtsgericht Minden verantworten muss, seien aus dem Zusammenhang gerissen, versucht der Ägypter abzuwiegeln. »Ich möchte nur in Frieden in Deutschland leben«, sagt er und zieht ein Zeugnis aus einer Aktentasche: »Ich habe im April einen Deutsch-Kursus mit der Note eins bestanden und will an der Uni Bielefeld Psychologie studieren.« Allerdings versuche das Bundesamt für Flüchtlinge derzeit, ihm seinen Asylbewerberstatus abzuerkennen, weil man ihn für gefährlich halte.
In der vergangenen Woche hatten Polizisten Usama A. informiert, dass sie ihn von Pfingstmontag an observieren werden. »Dass man mir unterstellt, ich wolle zur Fußball-WM einen Anschlag verüben, ist lächerlich. Ich glaube, der Staat will seinen Bürgern einfach zeigen, dass er etwas tut.« Darunter habe seine Familie jedoch zu leiden, sagt der mutmaßliche Islamist: »Die Nachbarn halten mich für einen Terroristen.«
Die sieben Polizeibehörden Ostwestfalen-Lippes, die in die Observation eingebunden sind, wollen den Einsatz möglichst geräuscharm über die Bühne bringen. Bei der letzten Observation des Ägypters im August anlässlich des Papstbesuches soll es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen einem Polizisten und der Ehefrau des Ägypters gekommen sein, nachdem die Frau, die von der Observation nichts wusste, sich verfolgt fühlte und auf einem Supermarktparkplatz einen Zivilbeamten fotografiert hatte.

Artikel vom 06.06.2005