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Spiel von artifizieller
und dezenter Art

Christian Poltéra und Kathryn Stott bezauberten

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Es geht schon ein wenig in Richtung Understatement, wenn sich das lapidar als »Violoncello-Abend« angekündigte Kammerkonzert als ein musikalisches Ereignis von höchster Güte entpuppt. Besser so als umgekehrt, dachte der Musikfreund und dankte Christian Poltéra (Cello) und Kathryn Stott (Klavier), die sich beim letzten städtischen Kammerkonzert als kongeniale Partner und Interpreten virtuoser und empfindsamer Tongemälde empfahlen.

Die Programmzusammenstellung schlug einen Bogen von der Klassik bis in die Moderne und spiegelte darüber hinaus die Bandbreite der Duo-Literatur sehr facettenreich zwischen den Eckpunkten virtuoser Imponierkunst und intimer Salonkultur. Innerhalb dieses Rahmens gelang den Interpreten eine sehr spezifisch-artifizielle Ausdeutung.
Christian Poltéra, 1977 in Zürich geboren, zählt bereits zur internationalen Cellisten-Elite, und die Britin Kathryn Stott gehört zu den prominentesten Musikerinnen unserer Zeit. Selbstredend ist das Technisch-Handwerkliche kein Thema. Vielmehr schafft beider Perfektion den nötigen Spielraum, den Notentext so detailreich wie unaufdringlich, so kleinteilig wie dezent auszuformulieren.
Die Liebe des Duos zum Detail zeigt sich erstmals bei Beethovens »Variationen über ÝBei Männern, welche Liebe fühlenÜ aus Mozarts Zauberflöte«. Hier wurde es mit federnd-pointierter Spielfreude und Lust an der Artikulation kombiniert. Daneben wirkt nicht nur Poltéras Vibrato berauschend-betörend. Seine Stradivari aus dem Jahr 1698 verfügt über einen ungewöhnlich raumfüllenden, sonoren Klang, den Poltéra in unendlichen Schattierungen zu modulieren weiß. Verbunden mit Kathryn Stotts subtiler, federnder Anschlagskultur, entstanden ein ums andere Mal leidenschaftliche Klanggemälde.
Gesanglich und kaprizös entfaltete Leos Janaceks Märchenvertonung ihren Reiz, wohingegen Schuberts »Arpeggione« mit fein-folkloristischer Edelmotorik daherkam. Gabriel Faurés Sonate Nr. 2 g-Moll erklang als gefühlsintensiver Melodiefluss, wobei der Trauermarsch von Poltéra als erschütterndes Lamento vorgetragen wurde.
In einer weit gespannten, sprechenden Kantilene und unterlegt mit dezent repetierender Akkordik nahm auch Olivier Messiaens »Lobgesang auf die Ewigkeit Jesu« für sich ein, ehe Chopins »Polonaise brillante« dem Duo noch einmal jede Gelegenheit bot, mit schwelgerischem Melos und wechselseitiger Rasanz Eindruck zu machen.
Das solchermaßen bestens angeregte und unterhaltene Publikum im Kleinen Saal der Oetkerhalle erklatschte sich noch eine Zugabe: Rachmaninows »Vokalise«, die in solcher Innigkeit und emotionalen Dichte wohl nur selten zu hören ist.

Artikel vom 31.05.2006