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Sozialkassen
stecken tief
im Minus

3,3 Milliarden Euro Defizit

Berlin/Wiesbaden (WB). Die deutschen Sozialversicherungskassen haben im vergangenen Jahr ein Defizit von 3,3 Milliarden Euro verbucht. Einzig die Krankenkassen erzielten einen Überschuss. Wenn nichts geschieht, laufen ihnen 2007 die Kosten davon.

Rente, Arbeitsmarkt und Krankenversicherung leiden nach Angaben des statistischen Bundesamtes unter fehlenden Beitragszahlungen. Vor allem Lohnsenkungen in Teilen der freien Wirtschaft zeigen Folgen.
Allein die Krankenversicherung verbuchte einen Überschuss. Dieser fiel jedoch mit 1,5 Milliarden Euro deutlich geringer aus als im Vorjahr (4,0 Milliarden Euro). Ohne Einigung auf Sparmaßnahmen droht im kommenden Jahr ein Rekord-Defizit von sieben Milliarden Euro. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linkspartei hervor.
Bei der Rentenversicherung kletterte der Fehlbetrag im vergangenen Jahr nach Angaben der Statistiker aus Wiesbaden um 2,9 Milliarden auf 4,3 Milliarden Euro. Ein Jahr zuvor hatten die Sozialkassen insgesamt noch einen Überschuss von 2,1 Milliarden Euro verbucht.
2005 öffnete sich die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben nach der amtlichen Auswertung weiter: Während die Ausgaben um 0,6 Prozent auf 469 Milliarden Euro stiegen, sanken die Einnahmen um 0,5 Prozent auf 465,7 Milliarden Euro.
Die gesetzliche Krankenversicherung musste für Arznei-, Verband- und Hilfsmittel mehr Geld ausgeben - wegen sinkender Herstellerrabatte. Gleichzeitig profitierten die Kassen vom niedrigsten Krankenstand seit Einführung der Lohnfortzahlung 1970: Die Ausgaben für Krankengeld fielen um 7,8 Prozent geringer aus als im Vorjahr. Deutlich sanken die Ausgaben für zahnärztliche Behandlung einschließlich Zahnersatz. Hier war ein höherer Eigenanteil eingeführt worden.
Die Finanzpolitiker der Großen Koalition in Berlin bewahren dennoch Ruhe. Haushälter Steffen Kampeter (CDU) aus Minden: »Wir blicken noch durch.« Der Haushalt 2006 werde trotz aller Probleme treffgenau abgeschlossen, erklärte der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion.
Damit es 2007 nicht zum befürchteten Ausfall von sieben Milliarden Euro bei den Gesundheitskosten komme, würden bis zum Sommer entsprechende Reformvorschläge gemacht, sagte der Mindener Bundestagsabgeordnete.
Der wichtigste Unionsmann in Haushaltsfragen riet zu mehr Gelassenheit trotz gigantischer Defizite: »Haushältertum hat auch damit zu tun, dass man mit der Hektik haushält«, sagte er.
Allerdings führe kein Weg an der Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte vorbei, sagte Kampeter. Kein Experte, den der Bundestag angehört habe, hätte einen anderen Weg gewusst, um den Etat 2007 verfassungs- und EU-gerecht zu gestalten.
Der Haushalt 2006 soll morgen im Haushaltsausschusses endgültig festgezurrt werden. Der Entwurf sieht Gesamtausgaben von 261,7 Milliarden Euro vor.
Seite 2: Interview

Artikel vom 31.05.2006