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Lehrstellen-Lücke wächst

60 Prozent »Altbewerber« - Wirtschaft wirbt um Ausbildungsplätze

Von Bernhard Hertlein
Berlin/Bielefeld (WB). Politiker, Unternehmer und die Arbeitsagenturen machen mobil, um zusätzliche Ausbildungsplätze anzuwerben. Besonders groß ist die Lücke zwischen der Bewerberzahl und den offenen Stellen in Ostwestfalen-Lippe.

Nach Angaben der vier regionalen Arbeitsagenturen in Bielefeld, Paderborn, Herford und Detmold waren Ende April insgesamt 2742 nicht besetzte Ausbildungsplätze gemeldet. Dem standen 10 513 Jugendliche auf der Suche nach einer Lehrstelle gegenüber. Besonders krass ist die Situation im Kreis Lippe, wo auf einen offenen Ausbildungsplatz rechnerisch fast sechs Bewerber kommen. Damit belegt Detmold den letzten Platz unter den Agenturen für Arbeit in ganz Nordrhein-Westfalen.
Ursache dafür, dass die Lücke in diesem Jahr vor allem in OWL noch größer erscheint als 2005, ist die relativ hohe Zahl von Schulabgängern in der Region. Dazu kommt nach Auskunft des zuständigen Geschäftsführers der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwestfalen zu Bielefeld, Swen Binner, die große Zahl von Jugendlichen, die - nachdem sie sich schon einmal vergeblich um eine Lehrstelle bemühten - in einer Fortbildungsmaßnahme oder Praktikum »geparkt« haben und nun erneut einen Ausbildungsplatz suchen. Binner schätzt ihre Zahl auf gut 60 Prozent. Die Gesamtzahl der Lehrstellen-Bewerber liege um 20 Prozent über Vorjahresniveau.
Den gestrigen »Tag des Ausbildungsplatzes« nutzten die Agenturen und Wirtschaftskammern für neue Initiativen, um vor allem bei den Unternehmen, die bisher noch nicht ausbilden, Lehrstellen anzuwerben. Dabei war beispielsweise die auch für den Kreis Gütersloh zuständige Bielefelder Arbeitsagentur in 36 Fällen erfolgreich; im vergangenen Jahr waren es allerdings bei einer ähnlichen Aktion 51 zusätzliche Lehrstellen.
Michael Heesing, Hauptgeschäftsführer der OWL-Handwerkskammer, nannte es einen Erfolg, dass der »Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs« in den vergangenen zwei Jahren trotz Beschäftigungsrückgangs erfüllt worden sei. Zwar liege die Zahl der Lehrstellen im Handwerk derzeit unter der des Vorjahres. Trotzdem geht Heesing davon aus, dass die Ausbildungsquote erneut zehn Prozent überschreiten werde.
Eine private Initiative, die allerdings von der öffentlichen Hand unterstützt wird, stellte gestern der Bielefelder Zeitarbeits-Unternehmer Heinrich Piening vor. Ihr Ziel ist es, in drei Jahren 150 Lehrstellen für Langzeit-Bewerber bereitzustellen.
Unternehmer, aber auch Politiker wie Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) forderten indessen eine Kürzung der Ausbildungsvergütung. Arbeitsminister arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) wies das Ansinnen zurück. Das sei Sache der Tarifparteien.
Auch das WESTFALEN-BLATT beteiligte sich gestern an den Aktionen zum Anwerben von zusätzlichen Lehrstellen. Experten der Arbeitsagentur, der Industrie- und Handels- sowie der Handwerkskammer berieten am Telefon zwei Stunden Unternehmer über Hilfen und die mögliche Beweitigung von Hemmnissen für eine betriebliche Ausbildung. S. 4: Kommentar/Wirtschaft

Artikel vom 30.05.2006