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Das Volk
wählte den
Schützen aus

Freiburg feiert Kahn

Freiburg (WB/fwk). Dem großen Ziel, Fußball-Weltmeister werden zu wollen, müssen sich auch alte Feindschaften unterordnen. Sattdessen werden neue Freunde gewonnen.

Oliver Kahn konnte sich wohl daran erinnern, dass ihm im Stadion des SC Freiburg vor sechs Jahren mal ein Verrückter einen Golfball an den Kopf pfefferte. Auch sonst hat er hier schon oft viel abbekommen. Warmer Applaus und »Olli, Olli«-Sprechchöre waren in der Regel nicht darunter. Ihm wird seit jeher die Rolle des Schurken zugwiesen, der die Heimmannschaft nur davon abhält, den Ball ins Tor zu schießen.
Vielleicht wollten die Leute dieses Mal aber ihr Mitgefühl für den Münchener ausdrücken, der in der zweiten Halbzeit erstmals degradiert zu einem Länderspiel antrat - als offizielle Nummer zwei. Ganz selten nur in diesen 45 Minuten hat sich Kahn hinwerfen müssen, und weil er nicht seine komplette Konzentration auf das Spielgeschehen richten musste, fiel ihm auf, wie die Leute ihn feierten.
Allerdings kam nicht nur der WM-Reservefänger in diesen Genuss, sondern auch andere, allen voran Lukas Podolski. Das 7:0 gegen Luxemburg nutzten die Zuschauer, um noch eine dritte Variante im Poker um den Kölner Angreifer aufzuzeigen: »Poldi für Freiburg.« Aber leider wird daraus nichts. Wenn er schon in der zweiten Liga stürmen soll, dann kann er es auch gleich weiter für den FC tun.
Die Sympathiekundgebungen für den 20-Jährigen reichten so weit, dass erstmals in der deutschen Länderspiel-Geschichte ein Elfmeterschütze per Volksentscheid gewählt wurde. Zum 5:0 sollte eigentlich Bastian Schweinsteiger vollstrecken. Den Rufen nach seinem wohl künftigen Mannschaftskameraden beim FC Bayern mochte er sich jedoch nicht widersetzen und überließ bereitwillig Podolski den Ball. Dass der jetzt mit Klose einen neuen Freund an seiner Seite weiß, muss Schweinsteiger als Mitglied der beim Confed Cup ausgerufenen und abgefeierten »Podolsteiger«-Beziehung aber nicht ärgern. Auch den beiden jungen Herrschaften gelangen einige Kombinationen, in denen sie umsetzten, was Bundestrainer Jürgen Klinsmann verlangt von ihnen und der Mannschaft: schnelles Spiel in die Spitze mit knapp gehaltenen Ballkontakten.
Dass es in der zweiten Hälfte trotzdem recht langatmig zuging, wurde am Ende blitzartig korrigiert. Für seinen Doppel-Schnellschuss in der Nachspielzeit benötigte Oliver Neuville 50 Sekunden - ein furioses Finale in Freiburg.

Artikel vom 29.05.2006