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16-Jähriger vorher auffällig

Aids-Infektionsrisiko nach Behandlung äußerst gering

Berlin (Reuters). Nach dem beispiellosen Amoklauf durch das Berliner Regierungsviertel meldeten sich gestern immer noch weitere Opfer, die von dem stark betrunkenen Jugendlichen aus dem Problemstadtteil Neukölln mit Stichwunden verletzt worden waren.

Mehrere Opfer und Helfer wurden mit Medikamenten zur Aids-Vorbeugung versorgt, weil einer der Verletzten HIV-positiv ist. Das Motiv des 16-jährigen Deutschen blieb unklar, die Ermittler gingen jedoch von einer spontanen Tat aus. Nach Angaben der Mordkommission wies der Jugendliche die Vorwürfe zurück. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Berlins Innensenator Ehrhart Körting äußerten sich bestürzt. In sieben Jahren Amtszeit habe er noch keine vergleichbare Tat erlebt, sagte der SPD-Politiker.
Der mutmaßliche Täter war nach Polizeiangaben stark angetrunken aufgefallen. Nach Ende der Festveranstaltung habe der Jugendliche mit Hunderttausenden anderen Zuschauern das Bahnhofsgelände verlassen. Auf dem Weg habe er Passanten immer wieder angerempelt und wahllos mit seinem Messer zugestochen. Innerhalb von etwa fünfzehn Minuten habe der 16-Jährige mindestens 36 Menschen verletzt. 31 trugen Stich- und Schnittwunden davon, fünf wurden geschlagen. »Ein Verrückter ist die Straße entlang gelaufen und hat beliebig auf Leute eingestochen«, sagte ein Polizist am Einsatzort. Die Verletzten wurden in einem weiten Umkreis zwischen dem Reichstagsgebäude und dem Krankenhaus Charite im Regierungsviertel aufgefunden.
Erste Rettungsfahrzeuge waren nach Angaben von Landesbranddirektor Wilfried Gräfling nach sieben Minuten vor Ort. Insgesamt seien fünf Notarztwagen und zwölf Rettungswagen mit insgesamt 55 Sanitätern und Ärzten sowie etwa 100 Polizisten im Einsatz gewesen.
Es sei keine Panik unter den Passanten ausgebrochen. Binnen einer Stunde hätten die Rettungskräfte alle Verletzten versorgt. »Diesem Umstand ist zu verdanken, dass wir kein Menschenleben zu beklagen haben.«
Das Berliner Universitätsklinikum Charite begann bei 28 Opfern und Helfern mit einer vierwöchigen Behandlung zur Aids-Vorbeugung, weil einer der Verletzten mit dem Aids-Erreger HIV infiziert ist. Charite-Oberarzt Dirk Schürmann wertete das Infektionsrisiko aber als gering. »Durch Stichwunden wird das HI-Virus in drei von 1000 Fällen übertragen«, sagte er. »Die Prophylaxe senkt das Risiko abermals um 80 Prozent.«

Artikel vom 29.05.2006