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»Erinnerung dient der Versöhnung«

26. Bundesheimattreffen der Münsterberger in Brackwede mit polnischen Gästen

Von Ulrich Hohenhoff
(Text und Fotos)
Brackwede (WB).»Als ein Zeichen für die Zukunft« wertete Dr. Michael Herrmann, Vorsitzender der Bundesheimatgruppe Münsterberg den Besuch einer polnischen Delegation aus dem heutigen Ziebice beim 26. Bundesheimattreffen der Münsterberg in Brackwede. Zu dem waren ehemalige Münsterberger aus allen Teilen Deutschlands gekommen.

Das diesjährige Treffen stand unter dem Leitwort »Schlesien - Erinnerung und Zukunft«. »Die Erinnerung ist die Basis für ein Zusammenleben in Europa. Das Geheimnis der Versöhnung liegt in der Erinnerung«, sagte Dr. Michael Herrmann, der an die Vertreibung erinnerte, die sich in diesem Jahr zum 60. Mal jährt. »Wir sind die Generation, die überlebt hat«, schilderte der Bundesvorsitzende in einem bewegenden Vortrag von Mütterängsten und Kindergefühlen die Geschehnisse und Schicksalsschläge der damaligen Zeit. »Aber wir dürfen auch die anderen nicht vergessen«, erinnerte er an das Schicksal der Polen.
Der Vize-Bürgermeister des heutigen Ziebice, Tadeusz Mazurek, der mit dem Stadtratsvorsitzenden Janusz Sobol, dem Leiter der Promotionsabteilung, Wojciech Szturo, und dessen Mitarbeiter Rafal Sledz, nach Brackwede gekommen war, zeigte sich begeistert von dem Empfang. »Hier ist alles so perfekt organisiert«, lobte er die Gastgeber. »Wir dürfen nichts vergessen, was damals war, auch die verlorenen Kindheiten nicht und deshalb ist es gut, dass sich durch ein gemeinsam es Europa Kontakte entwickelt haben«, sagte der Vize-Bürgermeister. Er lud alle ein, die alte Heimat zu besuchen und versprach »alles zu tun, um die deutsche Kultur zu pflegen«.
Der Vorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Kreisgruppe Bielefeld, Manfred Endreß, appellierte an die, wie er sagte, »Erlebnisgeneration«, Kindern und Enkeln das ehemalige Deutsche Reich nahe zu bringen. »Ein Land voller Schönheiten«. Er fahre demnächst nach Breslau, um Gespräche zu führen und Kontakte zu vertiefen. »Allen gemeinsam ist: wir wollen ein friedliches Europa«.
In einem eindrucksvollen Festvortrag erinnerte Bezirksvorsteher Siegfried Kienitz, dass die Bundesheimatgruppe Münsterberg sich alle zwei Jahre in Brackwede trifft, zustande gekommen durch den im Mai 1958 gefassten Brackweder Ratsbeschluss, eine Patenschaft für das mehr als 750 Jahre alte Münsterberg zu übernehmen. »Erst am Schicksal jedes und jeder Einzelnen wird nachvollziehbar, welches Leid die Menschen erdulden und unter welchen Bedingungen Sie Flucht und Vertreibung erlebt haben«. Die Deutschen würden auch künftig nicht von der historischen Verantwortung befreit, einen Krieg begonnen und Leid, Schrecken und Unglück über die Völker Europas gebracht zu haben . »Andererseits dürfen wir nicht vergessen, dass diese Verbrechen mit ganzer Härte letztlich auch unser eigenes Volk getroffen haben«.
Etwa 4 000 Münsterberger seien ach dem Krieg nach Bielefeld gekommen. »Menschen, die alles verloren haben. Den Verlust der Heimat und damit ein Stück an Identität und Sicherheit, diesen absoluten Verlust hatten nur die Vertriebenen und Flüchtlinge zu tragen«. Und dennoch hätten die Münsterberger ihr Schicksal gemeistert »und sind seit langem in unserer Stadt verankert«. Der wirtschaftliche Aufschwung, der Aufbau einer neuen Gesellschaft sei letztlich das gemeinsame Werk von Neu- und Altbürgern gewesen. »Auch bei uns in Bielefeld und in Brackwede«.
Vielleicht könne die Erinnerung an das Schicksal der Heimatvertriebenen, an ihr Leid, aber auch die geglückte Integration dazu beitragen, sensibler zu werden für sich anbahnende Konflikte und die Probleme von Menschen, die aus der Fremde kämen. »Vertreibung und Integration haben nichts an Aktualität eingebüßt«. Einen ethnisch homogenen Nationalstaat werde es im Zeitalter der Globalisierung und einem zusammenwachsenden Europa nicht mehr geben.
Das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge sei Mahnung, weltweit immer wieder aufs Neue einzutreten für die Ächtung von Vertreibungen, für die Durchsetzung der Menschenrechte und für ein Recht auf Heimat.

Artikel vom 29.05.2006