29.05.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Basso mit außerirdischer Leichtigkeit

Giro d'Italia: überlegener Gesamtsieg - Robert Förster gewinnt Schlussetappe im Massensprint

Vom Giro d'Italia berichten
Gunnar Feicht, Sören Voss und Johnny Dähne (Texte und Fotos)
Mailand (WB). Die phänomenale Überlegenheit von Gesamtsieger Ivan Basso und vier Etappensiege für deutsche Profis: Der Giro d'Italia ist zumindest mit seiner 89. Auflage in der deutschen Sportöffentlichkeit aus dem Schatten der Tour de France herausgetreten.

Als Sieger des Massensprints am Ende der letzten Etappe von Madonna di Ghisallo nach Mailand setzte Robert Förster vom Team Gerolsteiner mit seinem ersten großen internationalen Erfolg den Schlusspunkt.
Was die Profis geleistet haben, fasste Rudy Pevenage prägnant zu sammen. Der Sportliche Leiter des Teams T-Mobile sagte: »Das war die schwerste und härteste dreiwöchige Rundfahrt, die ich je erlebt habe.« Sowohl hinsichtlich der extrem schweren Bergetappen als auch des Wetters und der strapaziösen Transfers könne er sich an nichts Vergleichbares erinnern. Umso eindrucksvoller, mit welcher Leichtigkeit der vierfache Etappensieger Ivan Basso die Konkurrenz düpierte und zu seinem ersten Giro-Gesamtsieg fuhr.
Vom 1. Juli an will der 28-jährige Italiener gegen T-Mobile-Kapitän Jan Ullrich mit dem Sieg bei der Tour de France das Double schaffen. Ullrichs Mentor Rudy Pevenage blickt trotz Bassos »außerirdischer Vorstellung« (der drittplatzierte Gilberto Simoni) dem Duell gelassen entgegen: »Diese Überlegenheit hat mich überrascht. Ich kann nicht beurteilen, ob er diese Form konservieren kann, aber in Frankreich wird die Konkurrenz härter sein.«
Obwohl Jan Ullrich mit seinem vorzeitigen Ausstieg an den steilsten Passagen des Passo San Pellegrino am Donnerstag wieder einige Kritiker auf den Plan rief, hatten auch die Magenta-Profis in Italien ihre Erfolgserlebnisse: Ullrichs Triumph im Einzelzeitfahren, die Tage von Sergej Gonchar und Olaf Pollack im rosa Trikot und der zweite Platz im Teamzeitfahren geben Selbstvertrauen.
Zum deutschen Giro-Helden anno 2006 ist Stefan Schumacher aufgestiegen: Mit zwei Etappensiegen in Namur und Gemona del Friuli sowie zwei Tagen im rosa Trikot des Gesamtführenden hat der 24-jährige Debütant aus dem Team Gerolsteiner Zeichen gesetzt. Und sieht sich plötzlich im Fokus der Radsport-Welt: »Schon der erste Etappensieg hat eine enorme Resonanz hervorgerufen. Plötzlich sind italienische Journalisten an mir interessiert und wildfremde Leute am Straßenrand rufen meinen Namen.« Der bisherige Spezialist für mittelschwere Rennen mit hügeligem Finale traut sich für die Zukunft auch im Hochgebirge einiges zu: »Um beim beim Giro ganz vorne mitzufahren, muss man sich aber natürlich noch ganz anders vorbereiten.« Diesmal hatten ihn zudem die Rückenschmerzen nach einem Sturz auf der achten Etappe an größeren Taten auf den langen Anstiegen gehindert.
Jan Ullrich ist trotz seines vorzeitigen Ausstiegs wegen leichter Rücken probleme und allgemeiner Müdigkeit für die kommenden Wochen optimistisch: »Ich habe das Zeitfahren gewonnen, womit ich niemals gerechnet hatte. Die Form ist sprunghaft gestiegen.« Die Tour-Vorbereitung wird der 32-Jährige in Frankreich und bei der Asturien-Rundfahrt fortsetzen. Über einen Start bei der Deutschen Meisterschaft in Klingenthal ist noch nicht entschieden.
Unterdessen wurden vier Tage nach Aufdeckung des größten Skandals in der spanischen Radsportgeschichte alle Verdächtigen unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt.
Die beiden Schlüsselfiguren, Sportarzt Eufemiano Fuentes und Laborchef José Luis Merino Batres, mussten eine Kaution von jeweils 120 000 Euro hinterlegen.

Artikel vom 29.05.2006