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Kommentar
Eurovision Song Contest

Der Küblböck-Effekt zieht


Als Überraschung kann der Sieg der Schocker-Rocker »Lordi« aus Finnland nicht gelten - zumindest dann nicht, wenn man um die Mechanismen des Televotings, der Abstimmung per Telefon, weiß. Jugendliche und Kinder benutzen nämlich ihr Handy hemmungslos, was so manche Eltern gewiss bestätigen können. Finden sehr junge Leute etwas toll, wählen sie nicht ein-, zweimal die Rufnummer ihres Favoriten, sondern drücken 50 Mal oder noch öfter die Wahlwiederholungstaste. Papa und Mama bezahlen ja!
Und es gefällt dieser Altersklasse, was derbe aus der Art schlägt - der Küblbock-Effekt sozusagen. Im Fall der Finnen war es die albtraumhafte Optik, das Outfit, das so extrem war, dass sich Geisterbahnbesitzer um diese Truppe reißen würden. Die Musik des Siegertitels spiegelt das wider, was heute weitgehend angesagt ist: Hardrock halt, gar nicht mal so schlecht, sogar mit einer richtig harmonischen Phase im Refrain.
Was noch auffällt beim Eurovision Song Contest, der mal Grand Prix d'Eurovision de la Chanson hieß: Die Türkei bekommt aus Deutschland seit den Zeiten des Televotings zwölf Punkte, ganz gleich, was die Türken servieren. Und: Die Balkan-, Osteuropa- und Skandinavien-Seilschaften funktionieren nach wie vor.
Deutschland, Spanien, England und Frankreich landeten am Samstag wieder einmal unter ferner liefen, wobei nur der deutsche Beitrag »No No Never« wirklich unter Wert geschlagen schien. Aber als Geldgeber des TV-Spektakels sind »wir« natürlich auf Platz eins. Jürgen Spies

Artikel vom 22.05.2006