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Bertelsmänner auf Geldsuche

Etwa vier Milliarden oder Börsengang -ĂŠAufsichtsrat tagt am Montag

Von Michael Donhauser
Gütersloh (dpa). Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn (84) und seine Ehefrau Liz (64) feiern Ende Juni beide Jubel- Geburtstage. Die Feierlaune könnte den Jubilaren jedoch kurz vorher noch gehörig verdorben werden.

Der belgische Milliardär Albert Frère, Herrscher über den Bertelsmann-Minderheitseigner Groupe Bruxelles Lambert (GBL), will sein vertraglich zugesichertes Recht durchsetzen und seinen Anteil von 25,1 Prozent an dem weltweiten Medien-Konglomerat an die Börse bringen. Die Mohns loten gemeinsam mit Bertelsmann-Konzernchef Gunter Thielen fieberhaft Gegenstrategien aus. Die Hauptversammlung der Bertelsmann AG, traditionell im kleinen Kreis der wenigen Gesellschafter abgehalten, ist an diesem Montag Schauplatz für den Show-Down.
Liz und Reinhard Mohn samt Kinderschar kontrollieren über ein komplexes Konstrukt 74,9 Prozent der Firmenanteile und 75,0 Prozent der Stimmrechte. Sie scheuen das Börsenparkett. Zu groß wäre der Druck des Kapitals von außen, zu hoch wird bei Bertelsmann die Unternehmenskultur mit partnerschaftlichen Prinzipien und sozialem Engagement gehalten. So warten die Mehrheitseigner wie das Kaninchen vor der Schlange auf den Marschbefehl aus Brüssel. Erst wenn Frère den Börsengang explizit verlangt, können die Mohns reagieren und ein Gegenangebot machen. Das kann Frère - in den vergangenen fünf Jahren mit einer jährlichen Garantierendite von 120 Millionen Euro zufriedengestellt - annehmen. Muss er aber nicht.
Die Entscheidung des 80 Jahre alten belgischen Barons, mit dem Liz Mohn und Konzernchef Gunter Thielen jüngst »in harmonischer Atmosphäre« in Brüssel dinierten - wird maßgeblich davon abhängen, wie hoch die Offerte ausfällt. Und da scheiden sich die Geister. Während man bei GBL von einem Wert nahe bei fünf Milliarden Euro für das 25-Prozent-Aktienpaket ausgeht, sehen die Mohns den Wert eher bei drei Milliarden Euro. Beide Seiten stützen ihre Sichtweise auf Gutachten neutraler Experten. Die »Financial Times Deutschland« berichtete am Freitag, Liz Mohn wolle schon in den nächsten Wochen mit einer Barofferte von 3,5 bis 4 Milliarden an Frère herantreten. Bertelsmann-Sprecher wollen dazu keine Stellung nehmen.
Wie hoch auch immer ein möglicher Preis für den Rückkauf des einst im Tausch gegen Anteile an Europas größter privaten Fernsehsender-Gruppe RTL Group abgegebenen Bertelsmann-Viertels ist: Selbst die Familie Mohn hat einen solchen Milliardenbetrag nicht im Sparstrumpf.
Was bleibt ist der Verkauf von Firmenanteilen. Oder die Aufnahme eines horrenden Schuldenbergs. Letzteres würde die Finanzierungsrichtlinien des Unternehmens sprengen. Aber diese sind bei Bertelsmann so etwas wie eine Heilige Kuh. Ein Verkauf - etwa des gewinnträchtigen Musikverlags BMG Music Publishing einschließlich der 50-Prozent-Beteiligung an der weltweit zweitgrößten Plattenfirma Sony BMG - würde das Unternehmen schwächen.
Möglicherweise denkt man in Gütersloh über eine Mischform nach. Ein Teilverkauf in Verbindung mit einem Kredit könnte ausreichen. Fordert GBL-Eigner Frère zu viel, müssen die Gütersloher dennoch den Gang aufs Börsenparkett antreten, und zwar ohne Zeitverlust. Würde der in der ersten Hälfte 2007 realistisch erscheinende Börsengang nicht ernsthaft vorbereitet, kann Frère Entschädigung in Form von Firmenanteilen verlangen. Dann wären des teuer erkauften Goldesels RTL wieder in Gefahr.

Artikel vom 20.05.2006