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Einigung im öffentlichen Dienst

Am schwierigsten war der Kompromiss in der strittigen Arbeitszeitfrage

Potsdam (dpa). Nach wochenlangen Streiks im öffentlichen Dienst der Länder und an den Krankenhäusern ist einer der beiden massiven Tarifkonflikte beigelegt: Gewerkschaften und Arbeitgeber einigten sich am Freitag in Potsdam nach zweitägigen Verhandlungen auf einen neuen Tarifvertrag für die Bediensteten in 14 Bundesländern außer Hessen und Berlin.

Der vom 1. November an geltende Vertrag betrifft damit 780 000 der 900 000 Landesbeschäftigten. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) lehnte eine Übertragung des Potsdamer Abschlusses auf die Ärzte an Uni-Kliniken und Landeskrankenhäusern jedoch ab. Zum Ende der ersten kompletten Streikwoche legten 12 300 Ärzte in 37 Städten die Arbeit nieder.
In der besonders strittigen Arbeitszeitfrage verständigten sich die Tarifpartner in Potsdam auf einen komplizierten Kompromiss für die Länder.
Viele müssen in Zukunft länger arbeiten - bei anderen wird sich die Arbeitszeit verkürzen. 2006 und 2007 gibt es Einmalzahlungen, 2008 erstmals wieder eine lineare Tariferhöhung. Die Tarifkommission der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die an diesem Samstag zusammenkommt, muss dem Kompromiss noch zustimmen. Mit einem Ja in den Urabstimmungen nächste Woche wird aber fest gerechnet.
Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske sagte, es sei das Ziel der Gewerkschaften gewesen, den bereits seit dem 1. Oktober 2005 im Bund und in den Kommunen geltenden neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) auf die Länder zu übertragen. Der Verhandlungsführer der Länder, Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), verwies darauf, dass der Abschluss von allen 14 Mitgliedern der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) angenommen wurde. Berlin und Hessen gehören der TdL nicht an.
Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber begrüßten das Tarifergebnis. Beck sagte: »Durch die Bereitschaft zum Kompromiss der beiden Tarifparteien konnte dieses für beide Seiten tragfähige Ergebnis erzielt werden.« Stoiber sagte in MÜnchen zu der erzielten Einigung: »Es ist gut, dass es eine Einigung gibt und damit die Beschäftigten im öffentlichen Dienst an ihren Arbeitsplatz zurückkehren.«
Der Tarifvertrag gilt wie im Bund und in den Kommunen für alle Beschäftigungsgruppen - vom Straßenmeister über den Sachbearbeiter und Bühnenbildner bis hin zum Krankenhausarzt.
Möllring will den neuen Vertrag der Ärztegewerkschaft anbieten. Der Marburger Bund, der den Tarifverbund mit Verdi verlassen hat, warnte den TdL-Chef indes, auch für seinen Bereich abzuschließen. Der MB-Vorsitzende Frank Ulrich Montgomery: »Ich kann den TdL-Vorsitzenden Hartmut Möllring nur davor warnen, diesen Tarifvertrag auf die Ärzte anzuwenden.« Die Uniklinik-Ärzte streben mit ihrem Streik einen Sonderstatus an.
Tritt der Tarifvertrag in Kraft, wird es keine einheitlichen Arbeitszeiten mehr im öffentlichen Dienst geben. Schon jetzt sind die Regelungen für Bund und Kommunen unterschiedlich. Das in Potsdam abgesegnete Modell berücksichtigt die tatsächlichen Arbeitszeiten. Nach dem alten BAT sind es 38,5 Stunden. Bei Neueinstellungen und Umgruppierungen wurden fast überall längere Arbeitszeiten vereinbart, in Bayern 42 Stunden. Daraus werden für die Länder Durchschnittswerte zwischen 38,7 und 39,7 Stunden ermittelt. Der neue Tarifvertrag kann erstmals zum 31. Dezember 2008 gekündigt werden und soll bis Ende 2009 gelten.
Im Tarifstreit der Uniklinik-Ärzte forderte der Marburger Bund am Freitag eine rasche Wiederaufnahme seiner gesonderten Verhandlungen mit den Ländern. »Wir brauchen dringend wieder einen Termin, um zu reden«, erklärte der MB-Vorsitzende Montgomery.

Artikel vom 20.05.2006