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Museums-Neubau wie
im frühen Mittelalter

Überreste schon 1950 in Haller Sandgrube gefunden

Von Klaus-Peter Schillig
Oerlinghausen/Halle (WB). Keine Dämmung, keine elektrische Installation, kein fließendes Wasser und keine Heizung - dennoch kostet der Neubau im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen 300 000 Euro. Denn es ist Pionierarbeit, die die Handwerker des Museums ein Jahr lang beschäftigen wird. Die Pläne nämlich stammen aus dem Frühmittelalter.

Der Grundriss des 25 Meter langen und 6,50 Meter hohen Gebäudes wurde schon Anfang der 50er Jahre bei der Erweiterung einer Sandgrube in Halle-Künsebeck (Kreis Gütersloh) entdeckt. Spuren von Holzpfosten, Feuerstellen, sieben Gräber und mehr als 2000 tönerne Gefäße und Scherben haben die Archäologen damals in insgesamt siebenjähriger Arbeit freigelegt, dokumentiert und gesichert. Die Spuren und Relikte zeugen von einer kleinen Siedlung - wahrscheinlich zwei nebeneinander liegende Höfe, die nördlich der heutigen Bundesstraße 68 (früher: Osning-Hellweg) an den Ausläufern des Teutoburger Waldes gestanden haben.
Die Funde und Aufzeichnungen lagen bis 1997 in den Archiven des Amtes für Bodendenkmalpflege, ehe sie der Universität Marburg zur Auswertung übergeben wurden. Gemeinsam mit dem Freilichtmuseum Oerlinghausen ist dabei auch die Rekonstruktion des frühmittelalterlichen Langhauses entstanden. Ein ganz besonderes Exemplar, denn zum ersten Mal in Deutschland wird ein solches schiffsförmiges Gebäude mit Buckeldach, dessen Spuren in Künsebeck gefunden wurden, wieder aufgebaut. »Ein imposantes Zeugnis frühmittelalterlicher Architektur«, beschreibt Museumsdirektor Dr. Karl Banghard sein aktuelles Vorhaben. Auch die Inneneinrichtung wird aussehen wie vor etwa 1300 Jahren, rekonstruiert nach den Funden in Künsebeck und nach historischen Überlieferungen aus einschlägigen Quellen. Schulklassen sollen hier künftig mittelalterliches Leben nachspielen.
60 Tonnen Eichenholz werden bis zur Einweihung Mitte kommenden Jahres verarbeitet. Die Zimmerleute werden arbeiten wie ihre Kollegen im sechsten Jahrhundert nach Christi Geburt: Balken, Latten und Holzschindeln für das Dach werden von Hand abgebeilt. Das Werkzeug stammt allerdings aus der Neuzeit, ist den historischen Vorläufern aber exakt nachempfunden.
Das germanische Gebäude wird das in den 70er Jahren entstandene Langhaus ersetzen, mit dessen Bau das Museum schon damals Neuland betreten hatte, das aber inzwischen stark renovierungsbedürftig wäre. Die Kosten von 300 000 Euro zahlen neben dem Trägerverein des Museums die NRW-Stiftung für Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege (50 000 Euro), die Stiftung Standortsicherung des Kreises Lippe (55 000 Euro) und die Sparkasse Lemgo (25 000 Euro).

Artikel vom 19.05.2006