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OWL-Firmen suchen Ingenieure

Politik, Manager und Professoren werben erneut um qualifizierten Nachwuchs

Von Edgar Fels
Bielefeld (WB). Wenn es um Erfindungen geht, gehören die Deutschen zur Weltspitze. Wenn es aber um die praktische Nutzung des neu entwickelten Produktes geht, haben andere Länder häufig die Nase vor. Das gefällt weder Ingenieuren noch der Politik.
Wie am Schnürchen läuft diese Textilmaschine. Bis es aber soweit ist, bedarf es viel Sachverstand und Geschick von Ingenieuren und Technikern.Foto: dpa

»Die Deutschen sind eher problemorientiert, die anderen fragen auch mal nach dem Nutzen der Erfindung«, sagte der NRW-Innovationsminister Andreas Pinkwart (FDP) jetzt bei einer Veranstaltung zu den »Zukunftschancen in technischen Berufen« in Bielefeld. Ein Beispiel dafür sei die Erfindung des Faxgerätes in Deutschland. Hier habe man sich gefragt, wer zum Herstellungspreis von 10000 Mark ein solches Gerät kaufe. Antwort: etwa 20000 Bürger. In Japan habe man dagegen gefragt, was man für ein Faxgerät brauche (Telefonanschluss) und wer es nutzen könnte. Antwort: zwei Millionen Bürger. Bei dieser Menge reduzierte sich der Herstellungspreis auf 1000 Mark.
Auch wenn sich heute pfiffige Manager nicht mehr so leicht die Butter vom Brot nehmen lassen und alles dafür tun, ihre Neuentwicklungen profitabel zu vermarkten, so drückt der Schuh aktuell noch woanders: Viele Firmenchefs suchen händeringend qualifizierten Nachwuchs. Vor allem Ingenieure. Das gilt auch für Unternehmen aus Ostwestfalen-Lippe, die angesichts des globalen Wettbewerbes auf gute Ideen guter Ingenieure angewiesen sind.
»Wir wollen die Region sichern, indem wir den Nachwuchs fördern«, sagte Imke Rademacher, die das Projekt »Bing«o leitet. Hinter dem Kürzel verbirgt sich die Berufsoffensive für Ingenieure und Ingenieurinnen in OWL. »ÝBingoÜ gibt es seit fünf Jahren mit viel Erfolg«, sagte Rademacher vor etwa 200 interessierten jungen Leuten. Wie es um die Berufsaussichten für angehende Ingenieure bestellt ist, zeigte ein Film, den ein »Bingo«-Team bei der Firma GSR Ventiltechnik in Vlotho gedreht hatte. Deren Geschäftsführer sagte im Interview: »Es gibt einen Mangel an Ingenieuren.«
Das konnte auch ein weiterer Mann aus der Praxis bestätigen: Professor Dr. Gunther Olesch, Geschäftsführer des Blomberger Unternehmens Phoenix Contact. »Wir haben ebenfalls Probleme, Ingenieure zu bekommen.« Der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern könne sogar ein Unternehmen gefährden, sagte Olesch, der auch Sprecher des Lenkungskreises Ausbildung und Qualifizierung ist. Dabei ist Olesch überzeugt: »Die Universitäten und Fachhochschulen in der Region bringen Top-Leute hervor.« Doch offenbar kann das Angebot die Nachfrage nicht decken. Olesch: »Wir brauchen in Deutschland 13000 Ingenieure pro Jahr. Aber nur 8000 kommen von der Hochschule.«
Gleichwohl ist die Quote der Studienabbrecher mit gut 40 Prozent hoch. Den Grund nennt Professor Dr. Wilhelm Schäfer, Prorektor für wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Paderborn. »Es gibt in Deutschland keine Vorauswahl unter den Studienbewerbern.«

Artikel vom 20.05.2006