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»Nicht immer das Paradies«

Abordnung des »Renovabis«-Hilfswerks besucht JVA

Ummeln (mp). Sie sind in Deutschland unterwegs, um auf die Armut ihrer Mitmenschen in Osteuropa hinzuweisen. Freitag besuchten fünf Abgesandte des katholischen Hilfswerks »Renovabis« den geschlossenen Vollzug der JVA Brackwede I.

Zwei Stunden lang ließen sich der Mazedonische Bischof Dr. Kiro Stojanov, der polnische Pfarrer Pawel Brostowicz, sowie Imre Kozma und Judit Muskovszky vom Malteser Hilfsdienst in Ungarn und Renovabis-Partnerschafts-Referent Thomas Müller-Boehr durch das Gefängnis führen. Die beiden Anstaltsseelsorger, der katholische Pfarrer Wilhelm Schulte, und sein evangelischer Kollege Klaus Djambasoff, hatten ihre Gäste mit einer kurzen Andacht in der Anstaltskirche begrüßt.
Anschließend inspizierte die Gruppe Schulungs-, Aufenthalts- und Hafträume. Pfarrer Schulte hatte seinen Gästen eine dringende Botschaft zu überbringen: »Bitte erzählen sie zu Hause, dass nicht jeder, der nach Deutschland kommt, das gelobte Land vorfindet. Deutschland ist nicht immer das Paradies. Viele Menschen, vor allem Osteuropäer, sind hier gescheitert.« Schulte verwies dabei auf den immens hohen Anteil Russland-Deutscher an der Gesamtzahl der Gefangenen. »Es sind überwiegend junge Männer aus dem Osten, die in Deutschland Alkohol und andere Drogen exzessiv missbrauchen. Das führt zwangsläufig zu Straftaten, und irgendwann landen sie bei uns.« Pfarrer Djambasoff betonte: »Wer drogensüchtig ist, muss kriminell sein. Mit normaler Arbeit können Sie hierzulande keine Drogensucht finanzieren. Es sei denn, Sie sind reich.« Mit Freude berichteten die beiden Seelsorger von Häftlingen, die ihren JVA-Aufenthalt tatsächlich dazu nutzten, ihr Leben und ihre Taten zu überdenken, um anschließend ein straffreies Leben zu führen.
Bischof Stojanov und Pfarrer Brostowicz zeigten sich beeindruckt vom vertrauensvollen Umgang zwischen Gefängnispersonal und Häftlingen sowie der Großzügigkeit der Anlage. Ein Haftraum ist hier exakt die vorgeschriebenen 8,4 Quadratmeter groß. »Im Vergleich zum russischen Militär wohnt man hier wie im Hotel«, sagte Brostowicz. »In Russland sind die Räume nur halb so groß.«

Artikel vom 13.05.2006