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Flucht ins Ausland
kann böse enden

»Berater« täuschen Schuldner

Von Manfred Godek
Bielefeld (WB). »Schuldenfrei in zwölf Monaten durch Privatinsolvenz im Ausland« - so oder so ähnlich heißt es in den Anzeigen. Die Europäische Union machtÕs möglich, behaupten »Sanierungsberater«.

Sie machen folgende Rechnung auf: Während der Schuldner in Deutschland sechs Jahre lang alle pfändbaren Einnahmen abgeben muss, komme er zum Beispiel in Frankreich und in den Niederlanden bereits nach zwölf beziehungsweise 36 Monaten in den Genuss der Restschuldbefreiung. Voraussetzung sei »lediglich« ein Wohnsitz in dem betreffenden Land. Gegen eine Gebühr werde alles Notwendige organisiert.
»Allerdings ist das Insolvenzrecht komplizierter, als dem Leser weiß gemacht wird«, warnt Frank Gallep, Justitiar der Zyklop Inkasso Deutschland AG, Krefeld. Es müsse eine Wohnung angemietet und der Lebensmittelpunkt in das betreffende Land verlegt werden; eine Briefkastenadresse reiche nicht aus. »In Frankreich ist der Aufenthalt durch Benzinquittungen, Strom-, Wasser und Telefonrechnungen nachzuweisen«, erläutert Marion Saupe, Rechtsanwältin im elsässischen Mulhouse.
Die attraktiven Fristen beziehen sich immer auf besondere Umstände. In Österreich müssen 30 Prozent der Schulden zurückgezahlt werden, um nach zwei Jahren den Rest erlassen zu bekommen. In Holland (drei Jahre) bestimmt der Richter die Quote nach freiem Ermessen. In Frankreich dürfen die Schulden nur »in gutem Glauben« - etwa durch eine geplatzte Bürgschaft - entstanden sein.
Weiteres Risiko: Der Wohnsitz muss mindestens ein halbes Jahr vor dem Insolvenzantrag genommen werden. Zyklop-Experte Gallep: »Aufmerksame Gläubiger bekommen das Ganze spitz und stellen den Insolvenzantrag in Deutschland. Dann waren Kosten und Mühen umsonst, denn nach EU-Recht ist das zuerst befasste Gericht zuständig.«
Egal, wo die Reise endet: Sie ist nicht billig. »Gute« Ratschläge gibt es zwar schon für 149 Euro. Eine Full-Service-Betreuung inklusive Wohnsitzbeschaffung und Postservice - natürlich ohne Erfolgsgarantie - kostet 10 000 Euro.

Artikel vom 13.05.2006