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Tochter erlebt Schüsse auf Vater mit

Tödlicher Polizeieinsatz: Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen Beamten ein

Von Christian Althoff
Lemgo (WB). Eine Tochter des Albaners Demo Elmazi (41), der vor einer Woche bei einem Polizeieinsatz erschossen worden war, hat das Geschehen von einem Fenster aus miterlebt. »Ihre Schilderung deckt sich mit den Aussagen der Beamten«, sagte am Freitag Oberstaatsanwalt Diethard Höbrink, der jetzt die Ermittlungen gegen den Polizisten eingestellt hat.


Bereits eine Stunde nach dem tödlichen Schuss vom vergangenen Samstag in Lage (Kreis Lippe) hatte eine Ermittlungskommission des Polizeipräsidiums Bielefeld den Fall übernommen. Ihr Leiter, Hauptkommissar Knut Packmohr, stellte am Freitag die Ergebnisse vor. Der Kriminalbeamte sagte, die albanische Familie habe draußen den Geburtstag eines Sohnes gefeiert und sei gegen 20 Uhr ins Haus gegangen. Nur das Familienoberhaupt sei auf der Terrasse geblieben, habe Bier getrunken und extrem laute Musik gehört.
Um 22.32 Uhr waren zwei Streifenbeamte vor dem Haus eingetroffen, weil Nachbarn sich von der Musik gestört gefühlt hatten. Nur zwei Minuten später setzten die Polizisten einen Notruf ab und forderten einen Arzt für den niedergeschossenen Albaner an.
Packmohr: »Die Streifenbeamten hatten die gut beleuchtete Terrasse betreten, auf der ein Wahnsinnslärm herrschte, weil die Stereoanlage bis zum Anschlag aufgedreht war. In diesem Moment kam der Albaner aus seiner Garage und setzte sich auf einen Stuhl neben den Grill. Einer der Polizisten ließ seinen Blick über die Terrasse schweifen. Als er erneut zu dem Albaner hinübersah, richtete dieser gerade mit ausgestreckten Armen eine Pistole auf die Beamten.« Der Polizist, ein 33-jähriger Polizeihauptmeister, habe zu seiner Waffe gegriffen, doch in diesem Moment habe sein Kollege bereits geschossen. Oberstaatsanwalt Höbrink: »Der Albaner ist aus etwa 4,5 Metern Entfernung von einer Kugel ins Brustbein getroffen worden, zu Boden gesunken und innerhalb kürzester Zeit verblutet.« Rechtsmediziner stellten später einen Alkoholgehalt im Blut von 1,84 Promille fest.
Die Befragung der Hinterbliebenen ergab, dass die 15-jährige Tochter am Wohnzimmerfenster gestanden und alles mitangesehen hatte. Knut Packmohr: »Wörtlich sagte sie: Ich habe gesehen, wie mein Vater die Polizisten erschießen wollte. Dann haben die Polizisten ihn erschossen.« Das Mädchen wird jetzt psychologisch betreut.
Oberstaatsanwalt Höbrink erklärte, er habe das Ermittlungsverfahren gegen den 30-jährigen Polizeiobermeister, der geschossen hatte, eingestellt. »Da es nur eine Schreckschusspistole war, mit der der Albaner gezielt hatte, lag zwar keine Notwehr vor. Der Polizist befand sich jedoch in einem sogenannten Erlaubnistatbestandsirrtum. Das heißt, er ging irrtümlich, aber unvermeidbar, von einer Notwehrsituation aus.« In diesem Glauben habe der Beamte geschossen, um sein eigenes Leben zu retten. »Ein Schuss in die Beine hätte nicht gereicht, um die angenommene Lebensgefahr abzuwenden«, sagte Höbrink.
Nach den Ermittlungen der Kripo hatte Demo Elmazi die Pistole zuvor benutzt, um anlässlich der Geburtstagsfeier seines Sohnes Freudenschüsse in die Luft zu feuern. Höbrink: »Wir werden nie erfahren, was ihn bewogen hat, die täuschend echt wirkende Waffe auf die Polizisten zu richten.«

Artikel vom 13.05.2006