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»Schlafsäcke
und Handys
gehen immer«

Reisende werden vergesslicher

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Wolfgang Remy reagiert allergisch auf Pollenflug und nimmt sich vor, aufs Tempo zu drücken: »Sonst ist in drei Stunden meine Stimme weg.« Der Leiter des zentralen Fundbüros der Deutschen Bahn in Wuppertal gab gestern ein »Gastspiel« auf dem Bahnhofsplatz - und er erreichte »wie üblich« sein Ziel: So ziemlich alle Fundstücke fanden neue Besitzer.

Dabei kamen die »Rekordhalter« unter den Fundsachen gar nicht unter den Hammer: Schlüssel aller Art. Remy: »Die bleiben im Depot und werden vernichtet, wenn sich der Eigentümer nicht findet.« Mitgebracht hatten Remy und seine Mitarbeiter Kosmetikbeutel, Schmuck, Handys massenweise, Koffer, entweder leer oder gefüllt mit Kleidungsstücken. Remy versichert: »Sämtliche Schmutzwäsche ist heraus geräumt worden.« Koffer würden vor allem deshalb geöffnet, um dem jeweiligen Besitzer, etwa durch eine Adresse, auf die Spur zu kommen.
»Immer gehen« würden Schlafsäcke (»Wenn nicht, wäre ich verdattert«), aber auch Einkaufstüten, die im Zug stehen gelassen worden seien mit neu gekaufter Ware. »Es wird wieder mehr vergessen,« weiß Wolfgang Remy. Während der vier WM-Wochen rechnet er mit einer enormen Steigerung an Fundstücken: ». . .und das bei begrenztem Lagerplatz.«
Mindestgebot gestern war ein Euro - und Remy musste seine Fundsachen gar nicht groß schönreden: Ein Koffer voller »Designerkleidung in kleinen Größen« fand für 25 Euro eine neue Besitzerin, ein Golfschläger mit Ball ging für neun Euro weg, eine Fahrradtasche, gefüllt mit Sonnenbrillen aller Art brachte 16 Euro, drei Paar neu Schuhe - Herrenschuhe Größe 41, Damenpumps Größe 38, einen Paketerlös von 33 Euro. Einzig für zehn Paar neuer Kindersocken hatte niemand so recht Verwendung. Für technisches Gerät und dessen Funktionsfähigkeit übernimmt die Bahn keine Garantie: »Wie gesehen, so gekauft.«
Wolfgang Remy weiß, dass manch' einer an Dinge sein Herz gehängt hat, »die eigentlich in der Fundstelle entsorgt würden«: »Wir haben schon Menschen glücklich gemacht, nur weil sie ihre alte, durchgewetzte Lederjacke wieder bekommen haben.«
Nach drei Stunden packten Remy und seine Mitarbeiter die Auktionsreste ein. Die Stimme des Mannes war zwar (fast) weg, der Versteigerer aber hoch zufrieden: »Hätte mich auch gewundert. . .«

Artikel vom 11.05.2006