10.05.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ein Gruß aus der Vergangenheit

Eingemauerter Liebesbrief eines Sennestädters nach drei Jahrzehnten entdeckt

Von Thomas Hochstätter
Sennestadt (WB). Beim Spielen haben drei Jungen aus dem Altstadtkindergarten in Bad Oeynhausen einen eingemauerten Liebesbrief gefunden. Das Schreiben war jahrzehntelang im Königsforst versteckt. Und erinnerte jetzt eine 82-jährige Sennestädterin an den Mann ihres Lebens.

Er sieht gut aus. Und er legt sich ins Zeug. Für seine Gisela ist Daniel von der Heyden nichts zu schwer. Ihr mauert er 1949 sogar eine ganze Bank in den Königsforst. Schleppt das Baumaterial eimerweise zu der einen Stelle, die die beiden so mögen. Dort, im Wald zwischen Vlotho und Bad Oeynhausen, verspricht sich das Liebespaar die Ehe. Und hält das Versprechen. Viele Jahrzehnte lang. Daniel von der Heyden erklärt seiner Frau: »Ich liebe dich mehr als gestern und weniger als morgen.«
Heute ist die Bank längst verfallen. Daniel von der Heyden lebt nicht mehr. Doch ein Liebesbrief von ihm, der steckte noch immer im Sockel der steinernen Bank. Bis ihn Florian, Julius und Deniz ans Tageslicht brachten. Die drei Jungen aus Bad Oenyhausen kommen in diesem Sommer in die Schule. In ihrer »Waldwoche« haben sie mit einer ganzen Gruppe anderer Kinder den Königsforst erkundet. Und dabei auf einem Stein ganz besonders herumgeklopft. Immer wieder. Plötzlich gab er sein Geheimnis preis.
»Die drei wollten erst nicht so recht heraus mit der Sprache«, erzählt Erzieherin Undine Berensmeier. Das verschraubte Kaffeeglas, in dem der Liebesbrief steckte, ist bei der tagelangen Schatzsuche nämlich zerbrochen. Und Scherben, die im Wald herumliegen, machen bei fünfjährigen Jungen nun einmal ein schlechtes Gewissen.
Doch das brauchen sie nicht zu haben. Denn die Frau, um die es in dem Brief geht, ist ihnen nicht böse. Für Gisela von der Heyden, Mutter von drei Kindern und Großmutter von acht Enkeln, ist das langsam zerfallende Blatt Papier ein willkommener Gruß aus der Vergangenheit. An einem sonnigen Nachmittag liest sie die Worte ihres Daniels in ihrem Reihenhaus in Sennestadt gern noch einmal: »Ich liebe dich mehr als gestern, aber weniger als morgen.« Ja, ihr Mann habe schon sehr originelle Ideen gehabt, sagt sie.
In der Nähe der Gaststätte »Alter Förster« sei das Paar immer gern unterwegs gewesen. »Und diese Schneise, wo dann die Bank entstand, die war einfach zu schön. Bei späteren Besuchen habe ich gesehen, dass es bald einen richtigen Trampelpfad zu unserer Bank gab. Da haben sich andere also auch gern hingesetzt«, sagt Gisela von der Heyden.
Die Idee mit dem Liebesbrief, die hätten sie schon zur Verlobung gehabt. »Da waren auch meine Schwester und mein Schwager dabei«, erzählt die gebürtige Ostpreußin, die in Bad Oeynhausen aufgewachsen ist. Geheiratet wurde 1950 im Standesamt in Vlotho und in der Kirche in Bielefeld-Bethel. Zur Silberhochzeit, im Sommer 1975, als sie längst in Sennestadt wohnten, da sahen Gisela und Daniel von der Heyden in ihrem Wald nach ihrem Liebesbrief. Er war verrottet.
So sollte die Geschichte nicht enden. Das Ehepaar erneuerte seine Liebeserklärung. Vor Zeugen. Eine Tochter unterschrieb, Schwester und Schwager, eine Nichte, ja, sogar Pudel Katja wurde als Zeugin vermerkt. Ein Jacobs-Kaffee-Schraubglas sollte den Brief diesmal vor dem Zahn der Zeit schützen. Wieder schleppte Daniel von der Heyden Wasser und Sand. Und der Steuerberater arbeitete so gründlich, wie es seine Mandanten an ihm schätzten. Sein Werk sollte ihn überleben. Es hielt 31 Jahre.
Während die Briten in Bad Oeynhausen ihr Quartier hatten, lebte das junge Paar in Vlotho. »Rund zehn Jahre«, erzählt Gisela von der Heyden. Es sei eine schöne Zeit gewesen.
Oft war sie seitdem wieder an der Weser. Und zuletzt vor vielleicht eineinhalb Jahren auch an der steinernen Bank. Wie viele andere vorher auch dort gewesen sein mögen, womöglich sogar darauf saßen - sie ahnten doch nicht, was in der Bank versteckt war. Auch Florian, Julius und Deniz, die drei Jungen aus dem Kindergarten, wussten gar nicht, wie Recht sie hatten, als sie glaubten, in einem brüchigen Stein einen Schatz gefunden zu haben. Dieser Schatz ist jetzt wieder in den richtigen Händen.

Artikel vom 10.05.2006