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Zwischen Menschen, Kühen, Elefanten

Die Brackweder Studentin Nina Kruse (22) berichtet von einer besonderen Reise nach Indien

Brackwede (WB/mp). »Was man in fünf Wochen Indien alles erleben kann, ist unvorstellbar«, sagt Nina Kruse. Die 22-Jährige, Tochter des Unternehmerehepaares Inge und Joachim Kruse (Modehaus Kolck), ist jetzt schlauer, denn sie kommt soeben zurück von dieser Reise. Als Studentin an der Textilfachschule Nagold im Schwarzwald hatte sie sich an einem Austausch mit der Partnerschule der »Pearl Academy of Fashion« in Neu Delhi beteiligt. Exklusiv für das WESTFALEN-BLATT notierte die Brackwederin ihre bewegendsten Eindrücke.
»Zusammen mit 13 anderen Studenten bin ich nach Neu Delhi geflogen. Der Austausch beinhaltete ein vierwöchiges Schulprogramm mit Besichtigungen von Fabriken in und nahe der Hauptstadt, sowie eine Woche zur freien Verfügung. Schon die Fahrt vom Flughafen zum Gasthaus, unserer Unterkunft der nächsten Wochen, hat gereicht, uns zu schockieren: Jeweils zu siebt in einen Jeep gezwängt, wussten wir nicht, ob wir mehr Angst um unser Gepäck haben sollten, das auf dem Autodach gestapelt war, oder um unser Leben. Der indische Straßenverkehr scheint keine Regeln zu kennen: Es herrscht ein wildes Chaos aus Rikschas, Ochsenkarren, Fahrrädern, uralten Autos und Lastwagen. Dazu kommt ein unvorstellbarer Geräuschpegel, denn jeder hupt - als Warnsignal beim Überholen. Ich glaube, wenn man sich nicht mehr nach jeder Hupe umguckt, ist dass ein Zeichen dafür, dass man sich eingelebt hat.
Da in den ersten vier Wochen das Studium im Vordergrund stand, haben wir am ersten Tag einen Stundenplan erhalten, der sich aber dauernd änderte. Der Unterricht fand morgens und nachmittags statt. Schwerpunkte lagen in Produktentwicklung, Herstellung und Vertrieb, aber auch in den Besonderheiten Indiens als ein Land überwiegend manueller Produktionsstätten. So haben wir nicht nur Theoretisches über Stoffe und Fertigungstechniken der verschiedenen Regionen erhalten, sondern auch Einblicke in einzelne Fertigungsschritte. Mir war es wichtig, neben dem Beruflichen auch etwas vom Land zu sehen. Dazu gab es an den Wochenenden Gelegenheit. In Delhi selbst haben mir besonders das Indiagate und die Altstadt gefallen. Old Delhi ist so überfüllt von Menschen, dass man kaum von der Stelle kommt. Außerdem gibt es unglaublich viel zu sehen, zum Beispiel den Gewürzmarkt, wo die schärfsten Gewürze in riesigen Säcken stehen, oder eine Straße, in der es alles für Hochzeitsfeiern zu kaufen gibt.
An einem anderen Wochenende haben wir den Palast der Winde, das Amber Ford und andere schöne Märkte in Jaipur besucht. Besonders spannend fand ich es, nur zu zweit mit meiner Freundin Conny unterwegs zu sein, und sich inmitten des Chaos zurecht zu finden. Wir konnten es kaum glauben, als wir zuerst auf den Straßen zwischen Menschen, Kühen und Elefanten rumgelaufen und danach ganz einfach mit einer Fahrradrikscha zurück zum Hotel gefahren sind.
Natürlich darf ein Besuch des Taj Mahal in Agra nicht fehlen, wenn man schon mal in Indien ist. Es ist toll, plötzlich neben einem Bauwerk zu stehen, dass man sonst nur von Postkarten kennt. Und das Schöne ist: Im Original sieht es noch viel beeindruckender aus.
Das größte Abenteuer war allerdings, als Conny und ich auf Kamelsafari gegangen sind: Zu zweit fuhren wir mit dem Nachtzug nach Bikaner nahe der Wüste Thar. Das halbe Abenteuer war schon die Zugfahrt - unmöglich, den richtigen Bahnsteig zu finden, weil die Anzeigetafeln auf Hindi geschrieben sind. Ohne die Hilfe eines alten Mannes hätten wir den Zug nie gefunden, denn auch die Durchsagen erklangen nur auf Hindi. Als wir endlich im Zug saßen, sah ich unter den Bänken irgend etwas huschen. Erst dachte ich, ich bilde mir das nur ein, aber dann habe ich zwischen den Koffern eine Maus erkannt. Von den unterschiedlichen Käfersorten will ich gar nicht erst anfangen...
Auf jeden Fall hat sich das alles gelohnt, denn die Kameltour durch kleine Wüstendörfer war toll. Wir haben sogar ein paar Antilopen und ein Chamäleon gesehen. Abends haben wir von einer Sanddüne aus den Sonnenuntergang beobachtet und dann im Freien auf dem Kamelkarren geschlafen. Der Sternenhimmel war sensationell. Über der Wüste sieht man mehr Sterne als sonst wo.
Nach vier erlebnisreichen Wochen flogen wir ein paar Tage zur Erholung nach Goa. Dort, an der Südwestküste Indiens, haben wir in einer Hütte am Strand gewohnt. Beim Einschlafen und Aufwachen konnte man das Meer hören.«

Artikel vom 04.05.2006