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Jeder Ton ist ein Geschenk

Österliches Bläserkonzert in der Wallenbrücker Marienkirche

Von Thomas Meyer
Wallenbrück (SN). Atmosphärisches Rauschen, geheimnisvolles Gemurmel, bedrohliches Knacken: Was im Publikum reihenweise fragende Gesichter hervorrief, ist für Matthias Muche ein normales Musikstück über Maschinen und Religion. Seine Improvisationen standen im krassen Gegensatz zu den weiteren Stücken der österlichen Bläsermusik, die am Samstagabend in der Marienkirche Thema eines Konzertabends waren.

»Ich wollte etwas grundlegend Neues ausprobieren«, erklärte der heute in Köln lebende freischaffende Musiker. »In der elektronischen Musik bin ich fündig geworden.« Von da an versuchte Muche, die geräuschlastigen elektronischen Stücke mit akustischen Instrumenten zu imitieren. »Früher wollte man mit Synthesizern Trompeten und Posaunen darstellen. Heute machen Computer so gute Musik, dass auch der umgekehrte Weg reizvoll ist.« Organist Hinrich Paul, der über weite Teile des Programms meisterhaft den Gegenpart zu den musizierenden Posaunenchören spielte, war jedenfalls begeistert: »Gerade die fließenden Übergänge vom Geräusch zum Ton gefielen mir sehr gut. Da merkt man erst, dass ein Ton ein überaus kostbares Gebilde ist.« Töne, die zu wundervollen Harmonien zusammengefügt wurden, gab es dann aber bereits zu Beginn mit einem Posaunenquartett und der Intrada von Johannes Pezelius sowie dem Spiritual »Let us break bread«. Dazwischen setzten der Posaunenchor Wallenbrück und der Bläserkreis Lenzinghausen mit der Lamentation I von Giovanni Maria Nanino aus der Spätrenaissance ein, um dann gemeinsam mit der Orgel die volle Klangfarbenvielfalt der Blechbläser in siebenstimmigen Bach-Chorälen zu demonstrieren.
Beschwingt ging es weiter mit vier italienischen Tänzen aus dem 16. Jahrhundert. Mit einem gefühlvoll vorgetragenen »Der Schwan« von Camille Saint-Saens bewies Matthias Muche dann seine überragende Klasse auch abseits der Improvisationen. Hinrich Paul überzeugte hier ebenso an der Orgel wie in der folgenden Ostermusik von Magdalene Schauß-Flake, in der er sich mit Solisten und Chören ein stimmgewaltiges Wechselspiel lieferte. Beschaulicher wurde es beim Pastorum mit Nachtanz aus Hessen, bevor mit den Kirchenglocken ein weiterer Soloauftritt Muches eingeläutet wurde.
Diesmal hielt er einen Dämpfer in den Posaunentrichter und erzeugte so verzerrte Melodien zu den Glockentönen fis, gis und e. Ganz klassisch wurde es dann noch einmal im Choral »Nun danket alle Gott« aus dem 17. Jahrhundert und dem Abendchoral »Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen« als großes Finale zum Mitsingen.
Der anschließende große Applaus verriet, dass Muche die etwa 100 Besucher mit seiner, laut Eigenaussage, »nicht jedem zugänglichen« Musik durchaus begeistern konnte und eine Bereicherung für die Wallenbrücker Kirchenmusik darstellte.

Artikel vom 25.04.2006