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CDU und SPD entwerfen
neue Politik-Leitlinien

Sozialstaat und Familienpolitik zentrale Themen

Berlin (dpa). SPD und CDU starten heute Debatten über neue Grundsatzprogramme. Die SPD will das Modell eines »vorsorgenden Sozialstaats« zur Leitlinie machen, der die Menschen stärker fördert und aktiviert und durch mehr Investitionen in Bildung von vornherein vor Arbeitslosigkeit und Armut schützt. Kurt Beck: Der Sozialstaat braucht in Zukunft eine breitere Finanzbasis mit einem höheren Steueranteil.

Dagegen will die CDU die Rolle des Staates zurücknehmen und ihn auf Kernaufgaben beschränken. Dispute werden in der CDU vor allem über ein neues Familienbild erwartet. Gestritten wird bei SPD und CDU um die Finanzierung wichtiger Zukunftsaufgaben und über die Steuerlast für den Bürger.
Der designierte SPD-Chef und rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck will in Berlin Leitsätze für das neue Programm seiner Partei vorlegen. Es soll im Herbst 2007 verabschiedet werden und das alte »Berliner Programm« der SPD von 1989 ablösen. Beck wird dazu erstmals eine Grundsatzrede halten.
Die CDU will eine Programmkommission mit Generalsekretär Ronald Pofalla an der Spitze einsetzen. CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel wird dazu morgen in Potsdam sprechen.
Beide Parteien wollen mit ihren neuen Grundsatzprogrammen ihre politischen Ziele weit über die Zeit der großen Koalition hinaus beschreiben. Vize-Kanzler und Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) rief im »Tagesspiegel am Sonntag« seine Partei zu weiteren Reformen auf. Sie dürfe nicht dem Gefühl nachgeben, es jetzt ruhiger angehen lassen. Programmdebatten seien »kein Ersatz für praktisches Handeln«. Müntefering: »Man muss schon den Mut haben, aus Grundsätzen praktische Politik zu machen.«
Pofalla sagte gestern, das alte CDU-Programm von 1994 werde komplett überarbeitet. »Viele Entwicklungen, die uns heute bewegen, haben wir zum Zeitpunkt unseres letzten Grundsatzprogrammes nicht vorhergesehen. Dazu gehören demographischer Wandel, Massenarbeitslosigkeit und Globalisierung.«
In den SPD-Leitsätzen heißt es: »Wir wollen keinen abgemagerten, sondern einen besseren Sozialstaat.« Dagegen sagte Pofalla im Deutschlandfunk, der Staat sei heute mit der Fülle seiner Aufgaben überfordert. Die CDU wolle »aber auch keinen Nachtwächterstaat«. Pofalla forderte zudem eine »familienpolitische Neuausrichtung der Union«. Die Partei müsse zur Kenntnis nehmen, dass etwa in den neuen Bundesländern etwa 50 Prozent aller Kinder nicht- ehelich geboren würden. Gefördert werden müssten auch die Kinder, die aus nicht-traditionellen Formen des Zusammenlebens hervorgingen.
Die CDU-Spitze will zudem acht Leitfragen für ihre Programmdebatte vorlegen, unter anderem zur Bildung, Familie, Gesundheit und Renten.
In den SPD-Leitsätzen heißt es, der alte Sozialstaat stoße heute an seine Grenzen. Er sei zu sehr an »nachsorgenden Zielen«, Statuserhalt und Transferleistungen orientiert. Auch investiere er zu wenig in soziale Infrastruktur, wie etwa Bildung, »mit der die aktive Teilhabe der Menschen im Leben der Gesellschaft unterstützt wird«. Ein »vorsorgender Sozialstaat« benötige in Zukunft eine »breitere Finanzbasis«, die sich weniger auf Sozialversicherungsbeiträge sondern auf einen höheren Steueranteil stütze. »Da alle gemeinsam den Nutzen aus solchen Investitionen ziehen, müssen sich auch Unternehmen und vermögende Privathaushalte stärker als bisher an der steuerlichen Finanzierung dieser Aufgaben beteiligen.«
Die SPD spricht sich zudem für existenzsichernde Löhne aus. Wer voll arbeite, solle von seinem Verdienst auch leben können. Der Ausstieg aus der Atomenergie wird als »unverzichtbar« bezeichnet. Europa und ein gestärktes europäisches Sozialstaatsmodell seien »als positive Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung zu begreifen«. Eine handlungsfähigere EU benötige auf Dauer »angemessene finanzielle Ressourcen«. Dazu wäre »perspektivisch eine eigene Steuerquelle der EU der richtige Weg, um dieses Ziel zu erreichen«.
In den Aussagen zur Außen- und Sicherheitspolitik heißt es: »Wir wissen, dass auch militärische Mittel zur Friedenssicherung notwendig sein können.« Diese dürften aber »ausschließlich als letztes Mittel« eingesetzt werden und nur »im strikten Einklang mit dem Völkerrecht«.

Artikel vom 24.04.2006