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 n Die Mitbewohnerin...


...schweigt

Manu kennt Vicky nicht. Und scheint sie auch nicht kennen lernen zu wollen. Das ist schlecht. Immerhin wohnen die beiden seit Anfang April zusammen. Laut Vertrag soll sich das in den kommenden drei Monaten nicht ändern. Hier und da die (Ab-)Neigungen des anderen zu erfahren - in einem Gespräch unter vernünftigen Studenten - kann also nicht schaden.
Vicky hat es versucht. Einen Abend klärte sie Manu über sich und ihre Ansichten zum Leben auf, gepflegt mit einem Gläschen am Küchentisch. Manu sagte nichts. Auch nicht am nächsten Morgen. Auch nicht Tage später. Manu handelt nur. Ihr Zimmer schließt sie grundsätzlich ab.
Vicky empfindet das als Beleidigung. Selbst wenn sie etwas klauen wollen würde: Was? Manu hat keinen Fernseher, keinen CD-Spieler und auch sonst nichts, was eine Straftat herausfordern könnte. Manu hat nur einen Studienplatz für Klassische und Frühchristliche Archäologie.
Und sie hat Eltern. Diesen wollte sich Vicky schön höflich vorstellen, als sie denn nach zwei Wochen die neue Bleibe ihrer Tochter begutachteten. In Manus winzigem Zimmer hatten sich die Drei verschanzt. Anscheinend bewusst. Vicky konnte den Händedruck noch spüren, hatte ihre Begrüßungsrede kaum vollendet, da sagte der Vater: »Ja, und den Weg nach draußen findest du dann auch.« Dies befolgend, kombinierte Vicky: »Weg« und »draußen« harmonieren hervorragend mit »Straftat«. Wie beseitigt man noch einmal einen Mietvertrag? Laura-Lena Förster

Artikel vom 03.05.2006