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Mafioso tritt aus dem
Schatten des »Paten«
»Electronic Arts« wagt Umsetzung eines Meilensteins der Filmgeschichte
»Electronic Arts« macht allen Fans des Film-Klassikers »Der Pate« ein Angebot, das sie nicht ablehnen können: die gelungene, virtuelle Umsetzung des ultimativen Mafia-Epos' mit dem unvergessenen Marlon Brando in der Titelrolle.
Als Mario Puzo 1969 seinen Roman »Der Pate« veröffentlichte, ahnte niemand, welchen Meilenstein der Kulturgeschichte er damit setzen würde. Das Buch wurde ein Bestseller und als Francis Ford Coppola ihn zwei Jahre später verfilmte, machte er den Paten unsterblich. Die Verstrickungen einer Mafia-Familie boten ihm Stoff, um drei Filme zu produzieren.
Die Handlung des Spiels ist dabei losgelöst vom Verlauf der Kinovorlage und ihren Darstellern. So kreiertÊman sichÊauch gleich zu Anfang einen Protagonisten nachÊden eigenen Vorstellungen. Mit Hilfe eines umfangreichen Editors bestimmtÊman Gesicht, Statur und KleidungÊdes Mafioso, wobeiÊman im Laufe des Spiels in der LageÊist, sichÊneu einzukleiden, was wiederumÊden wachsenden Status in der Gangster-Szene dokumentiert.
In einer Einführungsszene werden wir Zeuge, wie im New York der 30er Jahre ein Mitglied eines Mafia-Clans vor den Augen eines kleinen Jungen ermordet wird. Etliche Jahre später schlüpft der Spieler in die Haut des inzwischen erwachsenen Jungen, der nun selbst antritt, um Karriere in der Familie zu machen.ÊLuca Brasi, ein führendes Mitglied der Familie, bringt dem Spieler das Handwerkszeug bei.ÊEr erklärt dem neuen Mafioso auf den Hinterhöfen der Stadt in Little Italy die Kampf-Steuerung und andere Bedienungselemente. Nach diesem Tutorial beginnt die Story wie im Film mit einem Mordanschlag auf den Don.ÊAuch im weiteren Verlauf hangelt sich das Spiel an den Vorgaben von Film und Roman entlang.
Der Spielablauf selbst beschäftigt sich zum größten Teil mit Schutzgelderpressung, Glücksspiel, Bankraub und Auftragsmorden, also dem Einmaleins eines italoamerikanischen Mitglieds der »Familie«.ÊKein Wunder also, dass die deutschen Kontrollgremien das Spiel erst für Erwachsene freigegeben haben. 150 illegale Gaunerbetriebe birgt die virtuelle Großstadt, dieÊsich im Namen der Corleone angeeignet werdenÊsollen. Allerdings herrschen neben den Corleones vier weitere Mafia-Familien in der Stadt New York, die demÊkriminellen Treiben nicht tatenlos zusehen, sondern ihrerseits versuchen ihre Machtposition auszubauen.
Respekt spielt bei »Der Pate« eine übergeordnete Rolle. Bei den Ladenbesitzern verschafftÊman ihnÊsich, indemÊman die Einrichtung zertrümmert oder direkt Hand an seine Person legt, bei der Konkurrenz mit ehrenhaften, aber nicht wenigerÊrabiaten Handlungen. Hat man sich einen gewissen Respekt erst einmal erarbeitet, läuft die Schutzgelderpressung praktisch von ganz alleine. Es lohnt sich auch nicht, wild mit Projektilen um sich zu ballern, denn tote Informanten können keine Geheimnisse mehr ausplaudern.
Vorsicht sollte man walten lassen, wenn man von verfeindeten Familien kontrollierte Gebiete betritt, denn hier wird nicht lange gefackelt. Urplötzlich springt jemand mit einer Tommygun auf die Straße, umÊden Wagen zu durchlöchern oder ein Schlägertrupp heftet sich anÊihre virtuellenÊFersen. Dabei spielen auch Verfolgungsjagden mit dem Auto eine nicht zu unterschätzende Rolle. Leider patzt »Der Pate« an dieser Stelle: Das können andere besser.
Wer sich ohne Schusswaffen Respekt zu verschaffen versteht, kann sich übrigens zusätzlicher Belohnungen gewiss sein. Nicht zuletzt aus diesem Grund wird manÊauch vergleichsweise spät vom Spiel mit einer Feuerwaffe ausgerüstet.
Die TexturenÊder Gebäude, Hinterhöfe und letztlich auch der Innenräume sind oft Êgrau in grau gehalten - ÊNew York wirkt auch um die Mittagsstunde so, als Êsei ständig Nacht. Die tolle Atmosphäre entschädigt allerdings für die grafischen Schwächen und Hauptdarsteller wie Marlon Brando und James Caan sind nicht nur gut zu erkennen, sondern werden auch dank überzeugender Mimik und Gestik (Motion Capturing) im PC lebendig.
Mit dieser Lizenz hatte EA die Möglichkeit in der Hand,Êdie Konkurrenten »GTA San Andreas« oder auch »Mafia« vom Genrethron zu stoßen. Dass das nicht gelungen ist, liegt in erster Linie an der etwas verunglückten Steuerung - eine unglückliche Kombination aus Tastatur und Maus - und den Nebenmissionen, die sich allzu oft am gleichen Strickmuster orientieren.
Herausgekommen ist trotzdem ein gutes Spiel, das Fans der Vorlage optimal bedient und allen potentiellen Mafiosi richtig Spaß machtÊ- auch wenn der Pate wohl kaum den Kultstatus der Vorlage erreichen wird.(tl)

Artikel vom 22.04.2006