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Kahn auf dem Kiez gefeiert

Torwart holt sich Selbstvertrauen - St. Pauli ein gutes Vorbild für Arminia

Von Alexander Grohmann
und Dirk Schuster
München (WB). Der Balanceakt der Bayern: Auch im Pokalhit am Millerntor waren die Münchener Minimalisten am Mittwoch mal wieder am Werk. Nur das Nötigste tun und damit durchkommen -Êdas ist die Kunst, die der FCB seit langem beherrscht. Am Samstag soll das in der Bundesliga auch Arminia Bielefeld zu spüren bekommen.

Denn ein Fußballfest gegen die Ostwestfalen wagen die Bayern ihrem Publikum nicht zu versprechen. Dass die Gratwanderung im Pokalfight gut ging, dürfte der Arminia vor dem Aufeinandertreffen in der Allianz-Arena nicht geschmeckt haben. Denn viel Kraft hat der FC Bayern im Spiel auf St. Pauli sicher nicht gelassen.
Eine kurze Tempoverschärfung zu Beginn, die mit der frühen Führung belohnt wurde, und eine Beschleunigung in der Schlussphase -Êdas reichte am Ende, um die Hamburger Halbfinal-Hürde zu meistern. Meisterlich war der Auftritt sicherlich nicht.
Das wusste natürlich auch Felix Magath. »Mitte der zweiten Halbzeit haben wir zu wenig gemacht«, war dem Trainer die zwischenzeitliche Passivität seiner Profis nicht entgangen. Ein, zwei Mal wackelte die Münchener Hintermannschaft bedenklich. Und die Gastgeber kamen in dieser Phase immer mehr auf den Geschmack.
Ihr einfaches Rezept, das zum Ausgleich führen sollte: lange Flanken in den Strafraum auf Felix Luz. Denn gegen den sah die groß gewachsene Innenverteidigung des Deutschen Meisters am Mittwoch oft ganz alt aus: »Er hat ja wirklich jedes Kopfball-Duell gewonnen«, staunte auch Magath nicht schlecht, der Luz noch aus seiner Zeit beim VfB Stuttgart kennt. »Ich habe ihn noch nie so gut spielen sehen.«
Luz zwang Oliver Kahn, den die Heimfans nach der Partie feierten als sei er einer von ihnen, in der 54. Minute auch zu einer Pracht-Parade: Nur mit all seinem Können konnte der Keeper den Ball noch per Hechtsprung von der Linie befördern und so im Nationalmannschafts-Fernduell mit Jens Lehmann nachlegen. Kahns Selbstvertrauen dürfte es gut getan haben, dass ihn die Heim-Fans beim Auslaufen wiederholt zu »La Ola« aufforderten. Kahn spielte mit, hatte mit den Pauli-Piraten, von denen mehrere Tausend auch eine Dreiviertelstunde nach Spielschluss noch auf den Rängen standen, seinen Spaß.
Doch zurück zu Kopfball-Ass Luz: Magath sieht den Stürmer schon auf dem Sprung. »Wenn er so weiter macht, wird er nur schwer zu halten sein.« Wie gut ihm beispielsweise das rote Trikot der Bayern steht, demonstrierte der Blondschopf ausgiebig nach dem Schlusspfiff. Mit Philipp Lahm hatte Felix Luz das Leibchen getauscht, gab hierin nicht nur die Interviews, sondern präsentierte sich so auch den Pauli-Fans, die das rote Tuch am Leib ihres Kiez-Lieblings nicht davon abhielt, den Verlierer wie einen Gewinner zu feiern.
Magaths Satz aber musste für die Paulianer wie eine Drohung geklungen haben. Über die Kiez-Komplimente, die der FC Bayern nach dem 3:0-Sieg verteilte, konnte sich auch Luz freuen. Doch der Angreifer wollte sich lieber nicht zu laut feiern lassen. »Ich habe zuletzt in einem Loch gesteckt. Ich hoffe, dass ich jetzt auch wieder in der Liga solche Leistungen bringe.« Dort ist die Mannschaft etwas zurückgefallen, der Aufstieg in die 2. Liga kaum noch zu realisieren.
So blieben dem Gastgeber nach dem Ende der heldenhaften Pokal-Geschichte nur die Erinnerungen an denkwürdige Triumphe gegen Berlin und Bremen -Ê und die Lobeshymnen der Gäste. »Der FC St. Pauli hat einen fantastischen Pokal-Wettbewerb gespielt. Man hat heute wieder gesehen, dass ein Regionalligist 90 Minuten lang auch einem Bundesliga-Team Paroli bieten kann«, zog Magath den Hut vor dem Kontrahenten.
Hundert Prozent Leidenschaft des Außenseiters - St. Paulis Engagement diente dem DSC Arminia Bielefeld als ideales Vorbild für die Bundesligapartie am Samstag in der Allianz-Arena.

Artikel vom 14.04.2006