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Die Torwart-Frage
Hart
am
Ball

Von Klaus Lükewille

Wer ist denn nun der Tor?
Im Moment eindeutig Oliver Kahn. Denn der darf bei der Fußball-WM nicht in den Kasten.
Oder wird es Jens Lehmann? Der soll zwar für Deutschland die Bude hüten, aber wehe, wehe, wenn er einen haltbaren und vielleicht spielentscheidenden Ball passieren lässt.
Auch Bundestrainer Jürgen Klinsmann würde dann sofort ebenfalls zum Ober-Toren ernannt werden, weil er den falschen Mann aufgestellt hat.
Wer nun der Richtige ist, wird sich zeigen. Richtig war auf keinen Fall, wie der Bundestrainer diese deutsche Frage aller Fragen vor sich hergeschoben hat. Erst Anfang Mai wollte er sich festlegen. Dabei darf vermutet werden: Klinsmann wusste bereits sehr lange, wer für ihn die Nummer 1 ist. Wahrscheinlich schon seit seinem Amtsantritt im Sommer 2004.
Denn damals gab es eigentlich keinen Grund, Kahns Position zu schwächen. Der neue Chef-Coach hat es trotzdem getan. Und ihm gleich auch noch das Kapitäns-Patent abgenommen.
Erst die Provokation, dann die Rotation. Denn Lehmann galt ab sofort als gleichwertiger Herausforderer. Und das ging dann bei den Länderspielen immer so: Kahn rein. Kahn raus. Lehmann rein. Lehmann raus.
Gemeinsam standen die Rivalen nicht oft in einem Kader. Man weiß ja: Die Herren halten zwar die meisten Bälle, aber selten die Klappe, wenn sie nach dem »Anderen« gefragt werden.
Auch Klinsmann redete. Mit beiden. Aber immer nur unter vier Augen. Dabei beteuerte Kahn bis zuletzt, der Bundestrainer habe ihm mehrfach versichert: »Du bist die Nummer 1.«
Lehmann muss da vor kurzem andere Informationen bekommen haben. Denn er wirkte auf einmal immer souveräner und sicherer - als wüsste er schon ganz genau Bescheid.
Jetzt ist der Tor-Fall geklärt.
Klinsmann hat dabei hoch gepokert. Er hat darauf gehofft und gesetzt, dass Kahn die Nerven verliert und ihm so die Entscheidung abnimmt. Oder zumindest leichter macht.
Sein Doppel-Patzer gegen den 1. FC Köln beschleunigte jetzt den Prozess. Während Lehmann auf internationalem Parkett glänzte, packte Kahn daneben. Und lieferte Klinsmann die »griffige« Begründung. Es soll bei ihm ja immer nach Leistung gehen. Und hier ist Lehmann zurzeit eindeutig die Nummer 1.

Artikel vom 08.04.2006