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Erfolg ohne Glamour

Die First Lady des Golf heißt Annika Sörenstam

Auf Erfolge ist im Damengolf vor allem eine Proette abonniert, um die viel weniger Wirbel veranstaltet wird als um den 16-jährigen Superstar Michelle Wie (Honolulu): Annika Sörenstam.

Die Schwedin (35) kann in ihrer 14 Jahre dauernden Profilaufbahn eine Erfolgsbilanz vorweisen, die sogar ihren Freund und Kollegen Tiger Woods, in den Schatten stellt: Im vergangenen Jahr nahm Annika Sörenstam an zwanzig Turnieren der amerikanischen LPGA Tour teil, zehn gewann sie - eine unglaubliche Quote.
Seit sie 1994 die Spielberechtigung für die lukrativste und älteste Damenturnierserie erhielt, siegte sie im Schnitt pro Jahr bei 5,5 Turnieren, in den letzten fünf Jahren waren es immer mehr als acht. Sie hat jedes der vier Majors im Damengolf mindestens einmal gewonnen, hat also den sogenannten Karriere-Grand-Slam vollendet, gewann fünf der letzten zwölf Majors und triumphierte die vergangenen fünf Jahre immer mindestens bei einem der vier Saisonhöhepunkte. Die Siegesbilanz der überlegenen Weltranglistenersten weist mittlerweile 67 Erfolge auf der LPGA Tour und dreizehn weitere in aller Welt auf.
»Ich setze mir hohe Ziele«, sagt die First Lady des Golfs, ein typisches Understatement der kühlen Skandinavierin. Vor zwei Jahren, als sie zum ersten Mal ihre Ambitionen auf den großen Gramd-Slam-Schlag angemeldet hatte, war sie mit einem 13. Platz bei der Kraft Nabisco Championship schon an der ersten Hürde gescheitert. Aber im Vorjahr gewann sie nach dem Coup von Rancho Mirage auch das zweite Major, die LPGA Championship, ehe sie ein 23. Platz bei den US Open aus der Bahn warf. »Ich bin bereit. Jetzt oder nie! Ich habe mich so gut vorbereitet wie noch nie. Mein Schwung ist gut, ich putte gut. Ich fühle mich gut«, sagte Annika Sörenstam.
Paula Creamer, Michelle Wie oder die 17 Jahre alte amerikanische Amateurmeisterin Morgan Pressel, eine Nichte des ehemaligen Tennisprofis Aaron Krickstein, werden als die Zukunft des Damengolf gepriesen, aber die Herrscherin der Gegenwart sieht die Teenager nicht als Bedrohung: »Sie sind mir nicht im Weg. Im Gegenteil, sie sind tolle Athletinnen, eine Bereicherung für die Tour und für mich eine Herausforderung.«
Eine Herausforderung, die sie bisher glänzend bestand. Als Michelle Wie im Oktober vorigen Jahres bei der Samsung World Championship ihr Profidebüt gab, interessierte sich niemand für Annika Sörenstam. Während Creamer und Pressel immer wieder »Giftspritzen« gegen Wie und ihre vergeblichen Versuche, auf den verschiedenen Herrentouren einmal den Cut zu überstehen und ihre fehlenden Siege abfeuern, kommt von Sörenstam kein böses Wort. Sie läßt einfach ihre Schläger und ihre Schläge sprechen. Am Ende dieser »Weltmeisterschaft« der zwanzig vermeintlich besten Golferinnen der Welt hatte sie Michelle Wie, die später disqualifiziert wurde, um 13 Schläge hinter sich gelassen.
»Ich liebe, was ich mache, auch wenn es von Jahr zu Jahr härter wird, die vielen Reisen, der Druck«, sagt Annika Sörenstam. Aber nach ihrer Scheidung im vorigen Jahr von ihrem amerikanischen Ehemann David Esch, dem Umzug von Orlando nach Incline Village in Nevada, sei sie auf und außerhalb des Golfplatzes rundherum glücklich. »Die Zeit vergeht, und ich genieße jeden Schritt meiner kleinen Reise«, sagt die begeisterte Hobbyköchin. Und ein Ende ihrer Reise, die im Alter von zwölf mit ersten Golfschlägen in Stockholm begann, mit einem Golfstipendium in Arizona befördert wurde und mit ihrem ersten Sieg bei den US Open 1995 richtig Fahrt aufnahm, ist noch lange nicht in Sicht.

Artikel vom 07.04.2006