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Rätselraten um Vogelgrippe auf deutschem Geflügelhof

Schnelle Ausbreitung trotz Überwachung überrascht Amtstierarzt

Von Stefanie Hennigs
und unseren Nachrichtendiensten
Versmold/Leipzig (WB). Auf einem Putenhof in Sachsen ist gestern der gefährliche Vogelgrippe-Erreger H5N1 festgestellt worden.

Der Biobauer beliefert den zur Versmolder Nölke-Gruppe gehörenden Velisco-Schlachtbetrieb. In die Verarbeitung oder gar den Verkauf ist das Fleisch der Tiere nicht gelangt. »Unsere Sicherheitssysteme haben funktioniert«, sagte Unternehmenssprecherin Marion Balaster. Nach Angaben von Landrat Gerhard Gey soll es schon am Sonntag die ersten toten Tiere gegeben haben.
Das Putenfleisch von dem Hof in Wermsdorf bei Leipzig war für den Frischfleisch-Verkauf bestimmt, sagte Firmensprecherin Balaster dieser Zeitung weiter. Am Tag vor der Schlachtung habe ein Amtstierarzt die Tiere routinemäßig untersucht. »Dabei wurden keine Influenzaviren nachgewiesen.« Am Dienstag seien die Puten im dem Velisco-Betrieb in Mutzschen geschlachtet worden. Später wurden bei dem übrigen Bestand in Wermsdorf jedoch Influenza-Symptome festgestellt: »Einige Tiere waren verendet.«
Daraufhin habe das Unternehmen sofort reagiert. Der Betrieb wurde stillgelegt, sämtliche Tiere in einer Tierkörperbeseitigungsanstalt entsorgt. Auch der gesamte Tierbestand in Wermsdorf -Ê15 000 Puten und Gänse -Êwurde gestern gekeult. »Dadurch wurde sichergestellt, dass möglicherweise belastetes Material nicht in die Verarbeitung gelangt.«
»Das ist der erste Fall von H5N1 in einem Nutztierbestand. Und das macht es so brisant«, sagte Sachsens Sozialministerin Helma Orosz (CDU) in Grimma. Die Geflügelwirtschaft wollte zunächst nicht Stellung nehmen. Seit dem ersten Auftreten der Vogelgrippe ist ihr Absatz nach Branchenangaben um etwa 15 Prozent zurückgegangen.
Behördenvertreter des zuständigen Muldentalkreises äußerten sich überrascht über den Ausbruch der Vogelgrippe, da die Geflügelfarm laufend überprüft worden sei. Bei den wöchentlichen Untersuchungen seien bei den Tieren keine Viren festgestellt worden. »Deshalb hat uns der Nachweis des Virus so erschüttert«, sagte Amtsärztin Regine Krause. Kreistierarzt Ingolf Herold äußerte die Vermutung, dass das Nutzgeflügel durch Wildvögel angesteckt worden sei. Die Gänse seien mit Zustimmung der Behörden zeitweise von der Stallpflicht befreit gewesen.
Die Vogelgrippe kann bislang nur vom Tier auf Menschen übertragen werden, Ansteckungen von Mensch zu Mensch sind nicht bekannt. Trotz strengster Kontrollen sollte Geflügelfleisch generell gut durchgegart werden. Das Vogelgrippevirus stirbt bei 70 Grad Celsius ab.
Die EU-Kommission teilte mit, Proben würden auch zum EU-Referenzlabor im britischen Weybridge geschickt, um das H5N1-Virus zu untersuchen. Der Fall sei der dritte vermutete oder bestätigte Ausbruch der Krankheit in einem Nutztierbestand in der EU. In Frankreich war im Februar ein Betrieb betroffen. Zudem wurde ein Ausbruch auf einem Hof in Schweden im März vermutet. Ein erster Verdachtsfall in einem Betrieb in Bayern hatte sich Mitte März nicht bestätigt.

Artikel vom 06.04.2006