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Von den »Vertikalen« lernen

18. OWL-Handelsforum diskutiert über Alternativen zur Geiz-Welle

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Einzelhändler, die allen Kunden alles bieten wollen, werden verlieren. »Jeder Händler sollte sich auf das beschränken, was er am besten kann«, erklärte Daniel Terberger, Vorstandsvorsitzender der Bielefelder Katag AG, beim gestrigen 18. Handelsforum in der Bielefelder Stadthalle.

Eine zum Schluss nicht mehr beherrschbare Komplexität ist nach Ansicht Terbergers auch eine der Ursachen für die Karstadt-Krise. Das Gegenbild stellten die »Vertikalen« dar -ÊUnternehmen, deren Produktspektrum eingeschränkt ist, die aber wie H & M und Zara von der Design-Entwicklung über die Produktion bis zum Verkauf an den Endverbraucher alle Schritte selbst verantworten und kontrollieren.
Während der Marktanteil der Vertikalen und der Filialisten in den vergangenen 15 Jahren von 28 auf 44 Prozent nach oben schnellte, mussten die traditionellen Fachgeschäfte einen Rückgang von 47 auf 24 Prozent hinnehmen. Terberger sieht für kleine spezialisierte Läden trotzdem gute Chancen, sofern sie sich am richtigen Standort bezogen auf ihre Kundschaft möglichst individuell ausrichten. Dabei geht der Katag-Chef von einem weiteren Anwachsen der Handelsmarken aus. Ihr Anteil liege in Deutschland noch weit von vergleichbaren Märkten wie Schweiz (50,8 Prozent) und Großbritannien (37) entfernt.
Das Glück des Tüchtigen hatte der Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe mit der Einladung von Josef Sanktjohanser. Just gestern wurde bekannt, dass Sanktjohanser für das Präsidentenamt des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE) nominiert wird. Den 200 Teilnehmern des OWL-Handelsforums erläuterte der Rewe-Manager die Struktur des drittgrößten europäischen Einzelhandelskonzerns, der sich künftig auf den Markennamen Rewe konzentrieren wird. Andere Bezeichnungen wie »Minimal« sollen aufgegeben werden.
Nach der Begrüßung durch Ferdinand Klingenthal und Stefan Genth, Präsident und Hauptgeschäftsführer des gastgebenden Einzelhandelsverbandes, riet Andreas Steinle vom Zukunftsinstitut in Kelkheim den Händlern, nicht nur auf Geiz zu setzen, sondern ein eigenständiges Konzept zu entwickeln. Als Beispiel nannte er die Schweizer Supermarktkette M, die - in anspruchsvollem Design -Êauf den Dörfern nicht nur Ware, sondern beispielsweise auch Eintrittskarten zum Fußballspiel oder den Skipass vermarkten. »Kult kann man nicht kopieren«, erklärte anschließend der Wiesbadener Kommunikationsexperte Reinhard Zoffel. An dem Einsatz von Marketinginstrumenten komme jedoch niemand, der Erfolg haben wolle vorbei. Zoffel riet in diesem Zusammenhang, nicht zur Gießkanne zu greifen, sondern sich sein individuelles Konzept mit dem Skalpell zurecht zu schneiden.

Artikel vom 06.04.2006