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Krönungsornat kam
mit Verspätung an

Das fernöstliche Essen sagte dem Bielefelder durchaus zu

Nach der Enttäuschung zur WM 1998, als Hooligans dem »König Fußball« die Tour vermasselten, freute sich Werner Weih auf einen exotischen Trip sondergleichen: »Die Reise nach Japan und Südkorea, wo Deutschland Vizeweltmeister wurde, sollte ein Höhepunkt in meiner Laufbahn als Schlachtenbummler werden«, erzählt Bielefelds bekanntester Fan. Für fast 8400 Euro durfte er allerdings auch einiges erwarten.

Ab Frankfurt 19.45 Uhr (am 29. Mai 2002). An Seoul 13.15 Uhr, einen Tag später. Eine Übernachtung in Koreas Hauptstadt, und dann sollte das Flugzeug abheben Richtung Japan, wo die deutsche Elf zu ihren Vorrundenspielen antrat. Alles kam planmäßig in Sapporo an - nur Werner Weihs Krönungsornat nicht: »Ich hatte die Tasche mit Krone und Umhang im Hotelzimmer in Seoul vergessen.« Nun war Holland in Not. Er brauche »das Zeugs« unbedingt, flehte der König die Reisebegleiterin an, aber selbst ein Monarch kann feste Flugpläne nicht ändern.
Natürlich ging die Sache dann doch noch gut aus. Ein dienstbarer Geist brachte die Tasche zum Flughafen, wo sie im Bauch der nächsten Maschine verstaut wurde. »In Sapporo wurde der Inhalt genauestens untersucht«, erzählt Werner Weih.
Als zweifelsfrei feststand, dass König Fußball den Tenno nicht vom Thron schubsen würde, stand dem Triumphmarsch ins Hotel nichts mehr im Wege. 1000 Steine waren Werner Weih vom Herzen gefallen, der, solchermaßen erleichtert, nun an die Verwirklichung einer besonderen Aufgabe gehen konnte: König Fußball betätigte sich als Werbefachmann. »Anlässlich einer WDR-Sendung über Arminia, bei deren Dreharbeiten ich zugegen war, hatte mich ein Repräsentant von Arminias damaligem Sponsor KiK angeworben.«
Als Honorar hatte man einen Urlaub zu zweit vereinbart - in einer Stadt, in der die Nationalelf ein Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft 2004 austragen würde -, aber Werner Weih packte das blanke Entsetzen, als er sah, was er dafür zu tun hatte: Sechs blaue Säcke und zwei Riesenkartons sollte er ins Flugzeug wuchten und den Inhalt, Trikots und Kappen, in Asien verteilen. »Davon hab ich dann, soviel irgend ging, in meinem Gepäck verstaut.«
Bereits beim ersten Stopp, auf dem Flughafen von Seoul, stattete Werner Weih die Umstehenden mit KiK-Fabrikaten aus und ließ, gar nicht dumm, filmen und fotografieren, was das Zeug hielt. »Nach der WM bin ich mit Arminias damaligem Trainer Benno Möhlmann in die Firma gefahren, deren Belegschaft mir applaudierte - die KiK-Leute hatten die Aktion im Fernsehen verfolgt.«
Die versprochene Reise übrigens führte unseren König Fußball nach Wilna. »Da haben die Jungs 4:1 gewonnen, und ich habe Jürgen Kohler getroffen.« Und er bat Günter Netzer, mal eben ein Autogramm von Gerd Delling zu besorgen. »Das hat er glatt getan!«
Zurück nach Asien. Werner Weih, der zwar als Botschafter des deutschen Fußballs die Welt bereist, aber vor allem Land und Leute kennenlernen möchte, schwelgte ausgiebig in der fremden Kultur. Fast jeden Tag stand ein anderer Tempel auf seinem Besichtigungsplan, natürlich hat er Japans Kaiserpalast und den Fudschijama gesehen, und in einem öffentlichen Park schaute er bei einem WM-Turnier ganz besonderer Art zu: beim Go, einem kniffeligen Strategiespiel.
Strategische Überlegungen stellte auch ein Österreicher an, der zu Werner Weihs Gruppe gehörte. »Der hatte die WM-Tour gebucht, aber keine einzige Eintrittskarte. Er brauchte aber eine für seine Familie daheim - offensichtlich als Beweis für sportliche Neigungen. Eine WM-Touristin trat ihm die ihre nach dem Spiel ab. Ihren auf der Karte gedruckten Namen musste er allerdings wegrubbeln.« Werner Weih rätselt noch heute, welche Motive den Mann wohl ins Land des Lächelns geführt hatten . . .
»Etwas beklemmend fand ich die Atmosphäre am 50. Breitengrad, der die Grenze zwischen Nord- und Südkorea bildet. Jeans waren nicht erlaubt, keine Sandalen und keine langen Haare - eine Stunde lang wurden wir per Film über Benimmregeln aufgeklärt.« Werner Weih fühlte sich an den 13. August 1961 erinnert, an den Aufmarsch der Panzer am Checkpoint Charlie.
Das Essen wiederum sagte dem König Fußball durchaus zu. Da wurden alle Köstlichkeiten aufgetischt, die der ferne Osten zu bieten hat. Und was bekamen die deutschen Kicker derweil serviert? »Ich hab den Mannschaftskoch gefragt: Nudeln, Nudeln und nochmals Nudeln . . .«

Artikel vom 08.06.2006