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Schäume sorgen für
den perfekten Sitz

Proseat stellt Kunststoff-Polster für Autos her

Von Bernhard Hertlein
Espelkamp (WB). Fahren Sie Auto? Sitzen Sie gut? Dann liegt das möglicherweise an Proseat: Das zu Recticel & Woodbridge (Mörfelden) gehörende Espelkamper Unternehmen produziert Kunststoff-Innenteile von Autositzen und Kopfstützen.

Auf Badewasser und im Bierglas sind »Schäume« beliebig in der Form und schnell vergänglich. Mit den Kunststoff-Schäumen, die bei Proseat hergestellt werden, verhält es sich anders. Dort kommt es auf genaue Passform und Haltbarkeit an. »Wir können die höheren Preise am Standort Deutschland nur durch High Tech rechtfertigen«, sagt Werksleiter Wilhelm Niemeier. Je genauer der »Schäumer« arbeite, desto dünner - und für den Autohersteller billiger - könnten die Sitzbezüge sein.
Deshalb legt Proseat großen Wert auf die Aus- und Weiterbildung seiner Mitarbeiter. »Wir nehmen uns ein Beispiel an Toyota«, sagt Personalchef Manuel Tellke. Investitionen in Belegschaft und Arbeitsablauf seien so wichtig wie Investitionen in Maschinen und Anlagen. Schon jetzt liege Espelkamp in der eigenen Gruppe bei Menge und Qualität an der Spitze. Niemeier: »Aber es genügt heute nicht mehr, gut zu sein. Wir müssen immer besser werden.«
Die Ursprünge für Proseat liegen in einem 1958 von Ernst August Naue gegründeten Automobilzuliefer-Unternehmen in Espelkamp. Großaufträge von Opel und Renault für die Herstellung von Formschaumpolstern führten 1988 unter den Söhnen des Gründers, den Brüdern Friedrich Wilhelm und Helmut Naue, zum Bau einer neuen Produktionshalle. 1989 beteiligte sich der US-Konzern Johnson Controls an dem Familienunternehmen. Drei Jahre später übernahmen die Amerikaner Naue vollständig.
Bestanden die Schaumpolster anfangs aus Gummihaar, einem Produkt aus Latex und Kokosfasern, wurde dieses Material nun weitgehend durch Polyurethan (PU) abgelöst. Nummer 1 bei der Herstellung von PU-Produkten ist in Europa die belgische Recticel-Gruppe. Sie übernahm Mitte der 90er Jahre das ehemalige Naue-Werk Nord. Recticel füllt Matratzen mit PU-Schäumen. Um das Jahr 2000 begannen die Belgier eine Zusammenarbeit mit dem kanadischen Unternehmen Woodbridge. Ergebnis ist die heutige Recticel Woodbridge GmbH & Co. KG mit sechs Werken in Espelkamp, Rüsselsheim, Hulshout, Wetteren, (beide Belgien), Trilport bei Paris und Mlada Boleslaw (Tschechien). Espelkamp ist mit 320 Mitarbeitern und einem Anteil von 26 Prozent am Gesamtumsatz von 180 Millionen Euro das größte Werk. Täglich werden 30000 Teile (Sitze, Lehnen, Stützen, Hinterbänke) produziert. Das entspricht dem Bedarf für 7500 bis 8000 neue Autos. Vor eineinhalb Jahren wurde der Name der Gruppe, deren Zentrale in Mörfelden von Raphael Thiempont geleitet wird, in »Proseat« geändert. Weitere Etappen auf dem Expansionskurs sind die geplanten Übernahmen eines Woodbridge-Werks in Manchester und der Firma Indepool in Barcelona. Die Kapazitäten in Tschechien sollen ausgebaut und neue in Polen eventuell aufgebaut werden.

Artikel vom 04.04.2006