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Leserzuschrift in der »FAZ«

»Erzählt uns nichts von armen Mütterchen und Briefträgern, ihr bestens versorgten Politiker!«

Leitartikel
Würdeloses Renten-Gezerre

Was dieses
Land sich
alles leistet


Von Rolf Dressler
In Deutschland wird minütlich, stündlich, tagtäglich millionenfach gewählt. Am Verkaufsregal. Im Reisebüro. Am Büffet. Im Tank- stellen-»Shop«. Am Zeitungs- und Zeitschriftenkiosk. Im Blumenladen. Beim Staudengärtner. Undsoweiter, undsofort. Vor allem produktkritische Verbraucher sind eben wählerische Naturen.
Allem Anschein nach keine Wahl und wohl nicht einmal mehr das Prinzip Hoffnung hingegen bleibt uns Bürgern, was die Gesundung speziell der staatlichen Rentenkassen anbetrifft. Deren Kapital ist von Politikern leider aller Farben so atemberaubend weit heruntergewirtschaftet worden, dass von dem hohen Anspruch kaufmännisch solider Finanzierung schon längst nicht mehr die Rede sein kann.
Im Gegenteil: Namentlich die Rentenversicherung wurde mit immer neuen, völlig zweckfremden Lasten befrachtet. Mit Fug und Recht kann man davon sprechen, dass alles das, was die Aufbaugeneration der 1950er und 1960er Jahre in 50- bis 60-Arbeitsstunden-Wochen gleichsam treuhänderisch für die nachfolgenden Altersrentner zusammengetragen hatte, letztlich veruntreut worden ist.
Erschwerend hinzu kommt ja noch ein Weiteres: »Ich bin gespannt, wie lange es sich die Rentner vor allem in der alten Bundesrepublik noch gefallen lassen, dass ungezählte Menschen, die nie etwas in die Sozialkassen eingezahlt haben, vielfach sogar noch höhere Altersbezüge erhalten als die ursprünglichen Finanziers und Träger der sogenannten Altersversicherungs-Grundlast«, so äußerte sich dieser Tage der Leser einer überregionalen Tageszeitung, und er sprach damit vielen anderen aus dem Herzen.
Von besonderem Übel ist bei al- ledem - nicht nur atmosphärisch gesehen - dass sich das ebenso laute wie unlautere Gerede von dem Generationenkonflikt gerade auch an der Rentenproblematik unablässig höher aufschaukelt.
Jung kontra Alt - nichts ist an- gesichts der dramatischen Dauertalfahrt der deutschen Staatsfinanzen abträglicher als diese Frontstellung, die von bestimmten Seiten infamerweise sogar gezielt geschürt wird.
Kein Wunder, dass auch die jüngste Nachricht der Deutschen Bundesbank nur ganz am Rande wahrgenommen wird. Danach hat die Staatsverschuldung hierzulande binnen Jahresfrist abermals um horrende 70 Milliarden auf nunmehr 1,521 Billionen Euro zugelegt. Und das trotz aller fast verzweifelten Sparbemühungen und Reformen über Reformen, die nur eines bewirken sollen: Geld zusammenzukratzen für laufende Verpflichtungen und - für das Stopfen der schwindelerregend riesigen Haushaltslöcher.
PS. Fraktionsübergreifenden Zuspruch fand jüngst die Überlegung der FDP im Dresdener Stadtparlament, ein generelles Verbot von Schulden zu erlassen. Sofort aber konterte entrüstet die Lobbyisten-Front in Politik und Presse: Solche »Schnapsideen« zeugten von einem total »krausen Wirtschafts- und Finanzverständnis«.
Ist das der Geist, aus dem man gemeinsame Zukunft gestaltet?

Artikel vom 25.03.2006