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Die Melodie der Engel

Spannendes Kunstprojekt in der Zionskirche


Bethel (WB). Engel schlagen Brücken. Sie verbreiten die Botschaft: »Öffne dich für deinen Nächsten.« Engel haben etwas Geheimnisvolles. Sie strahlen und klingen. Ein Ort der besonderen Engelsbegegnung war die Zionskirche. Frei nach dem Zitat von Rose Ausländer »Lenk deinen Schritt engelwärts«, fand in dem Kirchenraum ein interdisziplinäres Kunstprojekt statt (Konzept: Heidi Kommerell). Das Publikum erlebte eine Annäherung an das Thema in literarischer, musikalischer und künstlerischer Form.
Im Blickfeld stand die Himmelsleiter des Künstlers Jürgen Heckmanns. Sie erhob sich vom Mittelgang, und verjüngte sich bis zum Leuchter. Goldene Wände stehen im Altarraum, sie verändern sich im Licht, sind aus Papier, aber nicht zerbrechlich. Ganz leicht schwingen die Wände im Raum, reagieren auf den Betrachter. Körper hängen an unterschiedlichen Positionen im Raum. Sie sind reduziert in ihrer Darstellung, und ihre vermeintliche Schwäche wird im Lichtschein zu einem starken Schatten.
Dann erklingen Gong und Röhrenglocken (Heidi Kommerell), das Cello (Fritz Kommerell) tritt in den Dialog ein. Sie sprechen miteinander: Sei wach! Sei bewusst! Die Instrumente spielen zusammen in wachsender, sich gegenseitig steigernder Intensität. Die Töne erklimmen die Leiter wie die Engel in Jakobs Traum.
Die improvisierte Musik spiegelt die Stimmungen der Worte wider. Linda Keil und Alfred Kornemann tragen Bibelzitate vor, rezitieren Gedichte und Texte von Rilke, Raffael Alberti, Charles Baudelaire, Nabokov und anderen. Sie lassen die unterschiedlichen Erscheinungsweisen der Engel mit höchstdifferenzierter Stimme und Stimmung erscheinen.
»Alle Töne, die ich je gehört habe, vereinten sich zu einer vollkommenen Melodie«, beschreibt Nabokovs Erzähler seine Engelsbegegnung. In Bethel spielte das Cello in der abschließenden Sequenz diese Melodie. Fritz Kommerell vereinte im Solo von Bach das Erlebte und schuf einen Klangraum, der die Transzendenz der Engel ins Innere brachte.

Artikel vom 24.03.2006