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Stadt braucht ein Umweltdezernat


Zu der Situation des Naturschutzes in Bielefeld ging folgende Zuschrift ein:
Nach dem Tod des Umweltdezernenten Wolfgang DuBois wird der Umweltschutz in Bielefeld vom Baudezernenten verwaltet. Das ist problematisch, weil Eingriffe in die Fläche und Schutz und Pflege von Natur und Landschaft zwar zu einer Medaille gehören, aber eben zwei entgegengesetzte Seiten sind.
Nur drei Beispiele aus den letzten Wochen:
Die freie Landschaft um die Johannisbachaue ist wieder einmal ins Visier eines Investors geraten. Statt der vorhandenen Pläne für die stille Erholung gibt es die Idee einer Open-Air-Arena für Tausende von Zuschauern (mit ihren Autos), einen Strandgarten mit Schwimmteich, Beachvolleyball und Golfabschlaginstallationen. Der Rat hat dieses Konzept begrüßt. Wenn es greift, wird es Wünsche nach Erweiterung geben, bis in die Nähe der empfindlichen Aue (oder in die Flächen des Hofes Meyer zu Eissen hinein).
Die hoch belastete Herforder Straße soll einige hundert Meter vierspurig ausgebaut werden, da bietet sich die freie Landschaft als Planungsreserve gerade an. Genau diese Variante widerspricht den Vorschlägen der Umweltverträglichkeitsstudie, sie ist zudem die teuerste aller Varianten.
Die Verlängerung der L 712 n parallel zur Grafenheider Straße wird in die wertvollen Feuchtflächen des Überschwemmungsgebietes am Johannisbach gelegt. Im verbleibenden Restgrün darf dann das Umweltamt zwischen Autoabgasen, Open-Air-Musik und Beachvolleyball auf einer Wiese Auerochsen weiden lassen.
Es ist geradezu auffällig, dass die Umweltverwaltung nicht nur keine eigene Stimme hat, sondern aktiv mitwirkt bei dieser Art von Flächenverbrauch, die allesamt »vermeidbar und nicht ausgleichbar« sind und daher nach dem -Ênoch - gültigen Landschaftsgesetz NRW zu versagen wären.
Wer für das Bauen zuständig ist, darf - und kann -Ênicht auch für die Vermeidung des Bauens und seiner Folgen zuständig sein. Die gesamte Stadtplanung war in Bielefeld lange Jahre einem Tiefbauer (Ära Hotzan) unterstellt, bevor es zur Einrichtung eines eigenen Umweltdezernates kam. Hier wurde sowohl technischer Umweltschutz (Ära Lahl) als auch vorausschauender Flächen- und Landschaftsschutz (Ära Enderle) betrieben; das ist der Stadt gut bekommen und hat in der Regel zu einem gerechten Ausgleich der Interessen geführt. Bielefeld hatte auch dafür einen guten Namen gehabt.
Es ist dringend anzuraten, dass in einer Zeit nach Zwölf (»was weg ist, ist weg«) der Schutz der Natur und die Pflege der Landschaft wieder professionell und hauptamtlich betrieben werden, nicht nur als Last und »mit Bedauern«. Die Erfahrung aus Jahrzehnten ist zwingend. Die Stadt braucht wieder ein Umweltdezernat.
PROF. DR. TILMANN RHODE-JÜCHTERN Borgholzhausen

Artikel vom 22.03.2006