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Nano-Pille birgt
unklare Risiken

Deutscher Sport-Bund steigt aus

Von Christian Althoff
Lage (WB). Das von dem Bad Salzufler Tüftler Gerd Thöne (73) entwickelte Nahrungsergänzungsmittel »Neosino« hat möglicherweise nicht abschätzbare Nebenwirkungen. Das hat der Hersteller, die Neosino AG aus dem hessischen Griesheim, eingeräumt.

Gerd Thöne, der in Lage die »Fachlabor Thöne GmbH« betreibt, hatte nach eigenen Angaben ein Verfahren entwickelt, mit dem Quarz-Sand angeblich zu nanometerkleinen Teilchen zerrieben werden kann - zu Partikeln also, die nur einige millionstel Millimeter groß sind. Das im Sand enthaltene und derart zerkleinerte Silizium soll schnell ins Blut gelangen und die körperliche Fitness steigern. Für »Neosino« werben Bayern-Stürmer Roy Makaay, Radsportler und Läufer - und bis vor einigen Tagen war auch der Deutsche Sport-Bund Werbepartner. »Wir haben den Vertrag mit sofortiger Wirkung gekündigt«, erklärte gestern DSB-Sprecher Harald Pieper. Wissenschaftler hatten in der vergangenen Woche bezweifelt, dass »Neosino«-Kapseln überhaupt Nanoteilchen enthalten. Und: die Wirksamkeit der Pillen war massiv bestritten worden.
Möglicherweise fehlt den Kapseln nicht nur eine positive Wirkung, vielleicht bergen sie sogar Risiken. Denn in dem Prospekt, den die Neosino AG vor ihrem Börsengang im Januar veröffentlich hat, ist von »unbekannten Aspekten« die Rede. Folgende Fragen, die das Unternehmen nicht beantworten kann, werden dort genannt: »Wie wirken die Nanopartikel im Körper? Was können sie in der Zelle bewirken? Wird die DNA beeinflusst? Können sie die Blut-Hirn-Schranke überwinden?« Diese natürliche Schranke bewirkt, dass schädliche Stoffe nicht aus dem Blut ins Gehirn vordringen können.
An anderer Stelle schreibt der Hersteller, nach Konsum der Produkte könnten »Schadensersatzforderungen aufgrund von auftretenden Parallelsymptomen nicht ausgeschlossen« werden. Welche Symptome gemeint sind, teilt die Neosino AG nicht mit.
Die fünf Mitarbeiter zählende AG hatte mit Gerd Thöne einen Vertrag geschlossen und sich verpflichtet, jährlich Rohstoffe für 800 000 Euro von ihm zu kaufen. Diese werden von Subunternehmen zu Endprodukten weiterverarbeitet. Gerd Thöne bezeichnete sich gestern als Opfer einer Hetzkampagne, lehnte aber eine detaillierte Stellungnahme ab.
Nach Eingang einer anonymen Anzeige in Darmstadt wird nun voraussichtlich die für Börsendelikte zuständige Staatsanwaltschaft Frankfurt prüfen, ob die Neosino AG Prospektbetrug begangen hat. Dies könnte der Fall sein, wenn das Mittel tatsächlich keine Nanoteilchen enthält. »Dann könnten Anleger Schadensersatz fordern«, erklärte Anja Neukötter von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in Bonn.

Artikel vom 17.03.2006