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Operationen verschoben: Ärzte streiken für bessere Bezahlung

Zehn Uni-Kliniken betroffen - Arbeitgeber zeigen wenig Verständnis

Mainz/Berlin (dpa). Zum Auftakt ihres unbefristeten Streiks haben 4000 Uniklinik-Ärzte aus ganz Deutschland in Mainz für bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung demonstriert.

»Es ist nicht vertretbar, dass unser Einkommen dauernd sinkt, während sich die Verwaltungsdirektoren die Taschen vollstopfen«, sagte der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Frank Ulrich Montgomery, gestern in Mainz. In den zehn betroffenen Krankenhäusern wurden nur unmittelbar notwendige Operationen und Untersuchungen geleistet. Die Ärzte fordern 30 Prozent mehr Gehalt und einen eigenen Tarifvertrag. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) wies die Forderungen zurück.
Die Ärzte bestreikten Uni- und Landeskliniken in Freiburg, Heidelberg, Mainz, Bonn, Essen, München, Würzburg, Frankfurt/Main, Marburg und Halle. Heute wollen die Mediziner wieder arbeiten. Vom kommenden Montag an sollen die Streiks ausgeweitet werden. Unter anderem in Freiburg, Frankfurt/Main, Gießen, Hannover, Marburg, München, Ulm und Tübingen wollen Ärzte in den Ausstand treten.
In Mainz machten die Ärzte mit Trillerpfeifen und Spruchbändern ihrem Ärger Luft. »Operieren bis der Arzt kommt« oder »Dauerstreik und Hungerlohn - Ärztearbeit wird zum Hohn« war zu lesen. In betroffenen Kliniken warben die Ärzte für Verständnis: »Kein Patient wird durch unsere Streiks Schaden erleiden«, hieß es auf Plakaten. Zahlreiche planbare Eingriffe und Untersuchungen wurden verschoben. Viele Gänge in den Kliniken waren wie leergefegt.
Montgomery kündigte an, die Gewerkschaft werde ihren Streik so lange fortführen, »wie hartleibige Arbeitgeber sich einer vernünftigen Bezahlung und einer vernünftigen Arbeitsbedingung ihrer Ärzte widersetzen«. Das jetzt geforderte Lohnplus entspreche dem jüngsten Reallohnverlust durch Kürzungen bei Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie unbezahlter Überstunden.
Der Verhandlungsführer der Länder, Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), zeigte für den Streik »kein Verständnis, weil wir gute Angebote gemacht haben«. Das Ärztegehalt sei »nicht schlecht«, denn es gebe Geld für Überstunden und Bereitschaftsdienste. Dies werde in vielen Kliniken allerdings nicht gezahlt. Deshalb habe das Arbeitgeber-Angebot eine Verlängerung der Arbeitszeit auf mindestens 42 Stunden vorgesehen, die dann auch bezahlt würde. Der Marburger Bund habe »ohne Vorwarnung« die Verhandlungen abgebrochen.
Die Ärztegewerkschaft hatte das Angebot als inakzeptabel abgelehnt, da eine Verlängerung der Arbeitszeit ohne angemessene Lohnerhöhung auf Lohnverlust hinauslaufe. Zu einer Arbeitszeitverlängerung sei die Gewerkschaft bereit, aber nur bei angemessener Bezahlung.
Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, kritisierte die 30-Prozent-Forderung der Ärzte. Zugleich sagte er, angesichts der tatsächlichen Arbeitszeit von Ärzten könne er sich eine 42-Stunden-Woche für Mediziner mit pauschaler Überstundenvergütung vorstellen. 60-Stunden-Schichten seien unerträglich. Während Verdi derzeit vor allem für die 38,5-Stunden-Woche streikt, konzentrieren sich die Ärzte auf mehr Gehalt.

Artikel vom 17.03.2006