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Japaner interessiert die
Stadt der Barmherzigkeit

Beziehungen zu von Bodelschwinghschen Anstalten


Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Die Welt ist klein. Das ist zwar eine Platitüde, aber trotzdem wahr. Ein (weiterer) Beweis: Als die Bielefelderin Gesa Neuert, Vizepräsidentin des Verbandes der Deutsch-Japanischen Gesellschaften und Mit-Organisatorin der Ausstellung »Grüße aus Bethel« (das WESTFALEN-BLATT berichtete) im Palace-Hotel in Tokyo ankam, traf sie dort als erste Ryoko Ogasawara. Die junge Frau, die an der Rezeption des Hotels arbeitet, war im Jahr 2002 drei Wochen lang Praktikantin in Haus Enon in Bethel - damals auf Vermittlung von Gesa Neuert.
Im Palace-Hotel direkt gegenüber des kaiserlichen Palastes befindet sich auch die Galerie, in der Bethel-Künstler ihre Werke zeigen - die bei den Besuchern der Vernissage auf Anhieb heiß begehrt waren. Willi Kemper, Leiter des Künstlerhauses Lydda: »Wir hätten gleich am ersten Tag fast alle Bilder verkaufen können - aber längst nicht alle Arbeiten sind verkäuflich.«
Weil der Tag der Ausstellungseröffnung gleichzeitig auch der 175. Geburtstag von Friedrich von Bodelschwingh war, nutzten Prof. Takashi Hashimoto, der einen großen Teil der Vorarbeit für »Grüße aus Bethel« geleistet hatte, und Setsuko Huestebeck, eine Japanerin, die 30 Jahre lang in den von Bodelschwinghschen Anstalten als Krankenschwester tätig war und in Bielefeld lebt, die Gelegenheit, ihre Bücher zu präsentieren. Setsuko Huestebeck stellt in ihrem Buch den Besuch des japanischen Kaiserpaares 1993 in Bethel in den Mittelpunkt, Prof. Hashimoto nannte sein Buch »Stadt der Barmherzigkeit« (auf japanisch: Bethel - Fukushi no machi«). Es beschäftigt sich mit Friedrich von Bodelschwingh und dessen Sohn und Nachfolger Fritz. Hashimoto hat in Deutschland recherchiert, sich an allen Stationen des Lebens von Bodelschwingh umgeschaut. Bei seinen Nachforschungen in Japan stellte sich zudem heraus, dass ein japanischer Arzt Friedrich von Bodelschwingh bereits im Jahr 1903 gesprochen hat. Anschließend versuchte er in seiner Heimat eine ähnliche Einrichtung aufzubauen.
Der Germanistik-Professor aus Utsunomiya denkt bereits an ein Nachfolgeprojekt: Er plant ein Buch über von Bodelschwinghs Schwiegertochter Julia.
Das erste Exemplar seines Buches übergab Hashimoto Bethel-Vorstand Dr. Rolf Engels, der seine kurze Japan-Visite auch dazu nutzte, das nationale Epilepsiezentrum Japans in Shizuoka zu besuchen. Eingeladen hatte ihn dorthin der stellvertretende Leiter Yushi Inoue, den Engels bereits aus Bethel kennt. Dr. Engels: »Shizuoka hat genau dasselbe Leistungsspektrum wie die von Bodelschwinghschen Anstalten.« Eine kleine Tokyo-Führung machte mit Engels der Japaner Ryoichi Tsushima, Mitglied der japanisch-deutschen Gesellschaft. Tsushima spricht gut Deutsch. Er hat in den 1950er Jahren als Steiger im Ruhrgebiet-Bergbau gearbeitet und singt perfekt das Lied »Der Steiger kommt«. Das habe er schon gemeinsam mit dem verstorbenen Bundespräsidenten Johannes Rau gesungen: »Als er Japan besucht hat.«

Artikel vom 11.03.2006