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Die Welt der großen Gedanken

Seit dem 12. November 1998 lehrt Prof. Dr. Ulrike Davy an der Universität Bielefeld, ist Inhaberin des Lehrstuhls für öffentliches Recht, deutsches Recht und internationales Sozialrecht sowie Rechtsvergleichung. Die verheiratete Österreicherin, 1955 in Liezen geboren, stellte sich den Fragen von Laura-Lena Förster.

Mit welchem Verkehrsmittel kommen Sie zur Bielefelder Universität?Prof. Dr. Ulrike Davy: Ich benutze kein Verkehrsmittel, um von meiner Wohnung in Bielefeld zur Universität zu gelangen. Ich laufe am Teutoburger Wald entlang und genieße das sehr. Mein Familien-wohnsitz befindet sich allerdings in Dortmund. Das bedeutet: Ich pendle am Wochenende zwischen Dortmund und Bielefeld. Das mache ich mit der Bahn, mit einer Tasse grünen Tee.

Was ist Ihr Lieblingsgericht in der Mensa? Prof. Dr. Ulrike Davy: Ich bin mittags meist noch nicht hungrig. Der Hunger kommt erst gegen zwei oder drei Uhr. Dann laufe ich in der Tat in die Mensa, oft um ein Brötchen mit Schafskäse zu holen, manchmal auch ganz einfach Pommes mit Salat. Ich bin, was Essen betrifft, unkompliziert.

Was haben Sie vor 20 Jahren auf die Frage geantwortet: »Wo sehen Sie sich in 20 Jahren?«Prof. Dr. Ulrike Davy: Vor 20 Jahren hatte ich gerade begonnen, an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien zu arbeiten, und niemand hat mir eine solche Frage gestellt. Wäre es geschehen und wäre ich in einer etwas waghalsigen Stimmung gewesen, hätte ich geantwortet: In 20 Jahren arbeite ich an der Universität Wien, an einem der Höchstgerichte des Bundes oder in einem Bundesministerium, vorzugsweise dem Bundesinnenministerium. Alle diese Stellen befinden sich natürlich in Wien. Ich habe damals nicht im Traum daran gedacht, dass ich zehn Jahre später auswandern würde. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich diese Gelegenheit bekommen habe und dass ich den Schritt nach Bielefeld getan habe.

Warum haben Sie sich für die Arbeit an der Uni entschieden?Prof. Dr. Ulrike Davy: Die Arbeit an der Universität Ñ und nur die Arbeit an einer Universität Ñ erlaubt es, dass man gründlich über etwas nachdenken kann, dass man sich so lange mit verschiedenen Positionen zu einem bestimmten Thema auseinandersetzen kann, bis man für sich eine Lösung gefunden hat, und dass man das eigene Wissen immer weiter vergrößern kann. Außerdem spielt Routine keine allzu große Rolle. Man ist stets aufs Neue gefordert.

Was machen Sie lieber: lehren oder forschen? Prof. Dr. Ulrike Davy: Ich lehre gerne und ich forsche gern. Lehre ist allerdings deutlich frustrierender als Forschung. Wenn ich schreibe, geschieht genau, was ich möchte. Das macht außerordentlich viel Spaß. In den Lehrveranstaltungen dagegen trifft man immer wieder auf Studierende, die nicht interessiert und neugierig sind. Ein guter Teil verweigert sich schlicht dem wissenschaftlichen Diskurs und nutzt die Angebote nicht, die die Universität bereithält. Ich finde das schade, manchmal sogar traurig.

Warum sollten junge Menschen studieren?Prof. Dr. Ulrike Davy: Ein Studium vermittelt einen einzigartigen Zugang zu Wissen: Wie funktionieren Menschen, Gesellschaften, Staaten, Recht, Politik, Wirtschaft? Was ist Religion oder Moral? Woher kommen diese Institutionen? Was ist unterstützenswert, was ist kritikwürdig? Bildung ist freilich kein esoterischer Selbstzweck. Alle Untersuchungen belegen, dass die Chancen am Arbeitsmarkt mit einer guten Ausbildung steigen. Es gibt also ein ganz handfestes Eigeninteresse an Bildung, wie im Übrigen auch ein gleichlaufendes Interesse der Gesellschaft. Der Wohlstand aller hängt davon ab, dass die Zahl der gut Ausgebildeten möglichst groß ist.

Wenn Sie noch einmal Studentin wären, für welches Fach würden Sie sich entscheiden?Prof. Dr. Ulrike Davy: Ich wäre noch immer hin- und hergerissen zwischen Geschichte und Rechtswissenschaft. Wahrscheinlich würde ich mich wieder für Rechtswissenschaft entscheiden. Die beruflichen Perspektiven sind einfach breiter.

Welches Buch halten Sie im Studium für unverzichtbar?Prof. Dr. Ulrike Davy: Ich habe während des Studiums Niklas Luhmanns »Legitimation durch Verfahren« gelesen, Karl Poppers »Offene Gesellschaft«, Hans Kelsens »Reine Rechtslehre«, John M. Keynes »General theory of employment, interest and money«, Martin Heideggers »Sein und Zeit« und Ludwig Wittgensteins »Philosophische Untersuchungen«. Keines dieser Bücher ist in einem strengen Sinn unverzichtbar. Wichtig ist, dass man schon während des Studiums die Grenzen der Skripten, der Lehrbücher und der Auszüge aus dem Internet hinter sich lässt und die Tür zur Welt der großen Gedanken aufstößt. Welche Bücher konkret helfen, diese Tür zu öffnen, ist eigentlich nebensächlich.

Was gefällt Ihnen an der Universität Bielefeld besonders gut?Prof. Dr. Ulrike Davy: Ich liebe ohne jede Einschränkung die Halle als einen Ort der Kommunikation und der Vielfalt und die Bibliothek als einen Ort des Lesens bis spät in die Nacht. Das bietet keine andere mir bekannte Universität.

Wann haben Sie sich das letzte Mal in der Universität verlaufen?Prof. Dr. Ulrike Davy: Ich habe mich in der Uni noch nie verlaufen. Vielleicht war ich bis jetzt zuwenig auf der Suche nach versteckten Räumen.

Welche deutsche Universität verdient Ihrer Ansicht nach den Titel »Elite-Uni«?Prof. Dr. Ulrike Davy: Wäre ich noch in Wien und würde ich die Frage mit Blick auf die österreichischen Universitäten beantworten, würde ich sagen: natürlich die Universität Wien, das ist unangefochten die Beste der Besten. Was die deutsche Universitätslandschaft betrifft, gefällt mir besonders gut, dass es hier einen so klaren »Magneten« nicht gibt. Es gibt mehrere Universitäten, die sehr gut sind, und für verschiedene Bereiche sind das durchaus verschiedene Universitäten. Das entspannt das Verhältnis zwischen den Universitäten ungemein. Ich möchte die Bezeichnung »Elite-Uni« in Deutschland also bewusst nicht vergeben.

Was erhoffen Sie sich für Ihren Fachbereich von Studiengebühren?Prof. Dr. Ulrike Davy: Hohe Priorität hätten für mich die Ausstattung der Bibliothek (die entspricht nach den Sparrunden der Vergangenheit in manchen Bereichen leider nicht mehr dem Standard), ein kräftiger Ausbau des Sprachenangebots, die Ausstattung der Hörsäle und Seminarräume, die Aktivitäten der Fachschaft und der Studienberatung, kleinere Arbeitsgemeinschaften und größere Budgets für Gastvortragende.

Inwieweit erfahren Sie seitens Ihrer Familie Unterstützung für Ihren Beruf?Prof. Dr. Ulrike Davy: Ich kann mich fest darauf verlassen, dass Benjamin Davy mein bester und zugleich mein schärfster Kritiker ist. Ein Gedanke, der unsere Diskussionen überlebt, trägt felsenfest. Ich kann mich fest darauf verlassen, dass wir uns die Hausarbeit teilen. Und ich kann mich darauf verlassen, dass ich Trost bekomme, wenn ich Trost brauche.

Artikel vom 04.04.2006