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Die Traditionsmarke VW wird saniert

Arbeitskosten zu hoch - Fahrzeugteile-Werke stehen möglicherweise zum Verkauf

Von Eva Tasche
Wolfsburg (dpa). Bei VW müssen 20 000 Beschäftigte um ihre Jobs bangen. VW-Chef Bernd Pischetsrieder kündigte am Freitag in Wolfsburg ein umfassendes Programm zur Sanierung der Traditionsmarke an - mit tief greifenden Einschnitten in die Struktur des größten europäischen Autoherstellers.

Die Fertigung von Komponenten wie Achsen, Getrieben oder Motoren wird neu geordnet. Und die Arbeitskosten müssen runter - so das erklärte Ziel des VW-Vorstands. Das Konzept zeigt die Handschrift von Markenchef Wolfgang Bernhard. Er ist der neue Kronprinz im Konzern und jetzt ein Jahr bei VW. Bernhard ist als »Kostenkiller« bei Volkswagen angetreten und hat sich einem strikten Sanierungskurs verschrieben. Denn trotz Steigerung von Absatz und Marktanteilen lag die Marke VW 2005 beim Ergebnis nur knapp über der »Null-Linie«.
Bernhard will wieder echte, und das heißt für breite Bevölkerungsschichten erschwingliche Volkswagen bauen. Mit der bisherigen Kostenstruktur sei dies aber nicht möglich. Der Aufwand in der Produktion, der bisher noch doppelt so hoch sei wie bei den besten Wettbewerbern, müsse kräftig reduziert und die Qualität zugleich verbessert werden. Denn in der Pannenstatistik schneidet die Marke immer noch zu schlecht ab.
Mit Betriebsrat und Gewerkschaft sind die Pläne der Unternehmenslenker im Detail noch nicht ausgehandelt. Pischetsrieder schloss zwar betriebsbedingte Kündigungen aus, wie im Tarifvertrag im Herbst 2004 mit den Gewerkschaften vereinbart. Aber zu den konkreten Maßnahmen »werden wir noch mit unseren Partnern sprechen«, sagte er. Einigkeit gebe es noch nicht.
VW-Markenchef Bernhard hatte aber schon Anfang Januar mit Blick auf die Komponentenwerke verschiedene Möglichkeiten genannt - von der Sanierung, der Schließung, dem Zusammengehen mit externen Partnern bis hin zur Veräußerung von Bereichen.
Ziel sei die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und der Arbeitsplätze, betont Vorstandschef Pischetsrieder. Und weiter: »Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen ist dies nicht zu erreichen.« Deshalb würden zügig Verhandlungen mit Betriebsrat und IG Metall angestrebt, um beide Ziele bestmöglich zu erfüllen. Das klingt so, als könnte auch der teure Haustarifvertrag zur Disposition stehen.
Die Arbeitnehmervertreter sind bei VW zwar nach der jüngsten Affäre um Schmiergelder und Sex-Partys auf Unternehmenskosten geschwächt. Andererseits ist die Betriebsratsspitze aber komplett ausgewechselt, und im März 2006 stehen Betriebsratswahlen an. Der neue Betriebsrat kann sich jetzt beweisen. Traditionell hat die Gewerkschaft großen Einfluss.
Zu einem möglichen Verkauf der Komponentenfertigung hatte der Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh kürzlich schon angekündigt, dass er dies nicht für sinnvoll hält. Schließlich gehe es auch um die Sicherung von Know How, wie etwa beim Bau des speziellen Doppel-Kupplungsgetriebe oder anderer Teile, die bei VW entwickelt wurden.
Bernhard hat allerdings immer wieder beklagt, dass die VW-eigenen Werke im Vergleich zu externen Zulieferern viel zu teuer produzierten. Mehr als 30 000 Beschäftigte stellen in den westdeutschen VW-Werken Fahrzeugteile her. Sie tun das überwiegend zu den Löhnen des Haustarifs bei VW. Und der liegt um fast 20 Prozent über dem generellen IG-Metall-Tarif.
Bei keinem Autohersteller sei die Arbeit so teuer wie bei VW in Westdeutschland, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Deshalb wäre eine Trennung von den Komponentenwerken ein »Befreiungsschlag«. Fast 600 Millionen Euro könne VW damit einsparen. Dudenhöffer: »Die Kernkompetenz von VW liegt weder auf dem Gießen von Motorblöcken noch auf der Montage von Achsen.«

Artikel vom 11.02.2006