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Geschichte aus erster Hand

Dokumentation »Lübbecke - Kriegs- und Nachkriegsjahre« bald zu sehen

Von Erwin Eisfeld
Lübbecke (WB). Sie war die prägendste Zeit im Leben vieler Lübbecker, die Kriegs- und Nachkriegszeit. Jetzt hat die Stadt darüber einen Film drehen lassen. Genauer gesagt: eine Dokumentation. Darin werden historische Filmaufnahmen aus dem Lübbecke der Kriegs- und Nachkriegsjahre gezeigt. Angereichert wird der 40-Minuten-Beitrag durch eine Befragung von Zeitzeugen. Die LÜBBECKER KREISZEITUNG hat die Dokumentation gestern in einer Vorabpremiere für ihre Leser gesehen.

Denn erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wird dieser wichtige stadtgeschichtliche Beitrag erst am 17. Februar - während des 2. Aktionstages im Museum der Stadt Lübbecke, um 19 Uhr und noch einmal um 20 Uhr.
Das Stadtarchiv ist dankbar, dass mit dieser Dokumentation ein wichtiges Kapitel der Stadtgeschichte angesprochen und anschaulich präsentiert werden kann. »Können wir unserem Gedächtnis trauen? Oder wird die Geschichte so hingedreht, wie wir sie gerne hätten?«, hinterfragt Stadtarchiv Helmut Hüffmann, der zusammen mit Christel Droste seit knapp einem Jahr mit den Vorbereitungen der recht aufwändigen Recherche für die Dokumentation betraut ist. Literatur wurde gesichtet, Biografien durchforstet, Gespräche geführt.
Jetzt, wo der Film (produziert von der Medienwerkstatt im Auftrag der Stadt, dankenswerterweise gesponsert von der Firma Dannemann) fertig ist, darf festgehalten werden: der Beitrag ist authentisch. Glaubwürdig und frei von Schnörkeln wurde zur Verfügung stehendes Originalmaterial digitalisiert, aufbereitet und in eine geschichtliche Chronologie gefügt. Zurückgegriffen wurde auf einfache Amateurfotos, »hier wurde nicht getrickst und getäuscht«, liegt Helmut Hüffmann und Christel Droste am Herzen. Angereichert werden die Filme und Fotos von Befragungen alteingesessener Lübbeckerinnen und Lübbecker, so wie sie ihre Heimatstadt in den Kriegs- und Nachkriegsjahren erlebt haben.
Mit Renate und Heinrich Aschemeier, Helene und Friedrich Siekmeyer, Helmut Hüffmann, Dr. Gerold Kirchner, Günther Westermann und Wilhelm Arning haben Lübbecker vor Kamera und Mikrofon bereitwillig Auskunft gegeben - so, wie sie es damals erlebt haben. Freimütig wurde eingeräumt, »dass ein anständiger Mensch das damals glauben musste«. Oftmals erst im Nachhinein kamen Zweifel, wurde hinterfragt.
Gerade vor diesem Hintergrund bewertet die Lübbecker Bürgermeisterin Susanne Lindemann, die sich die Vorabpremiere ebenfalls ansah, den Film »gerade für Schüler als geeignet und wichtig«. Hier werde ein Teil der Geschichte von Lübbecke auf sehr informative und anschauliche Weise dargestellt. Schulen sollten also von dem Angebot des Stadtarchivs Gebrauch machen und Termine für Vorführungen vereinbaren (Kontakt: 29 82 57). Gleiches gilt für Gruppen und Vereine.
In dem Film wird mit spürbarem Sachverstand die Stadtgeschichte in der Zeit des selbstausgerufenen »1000-jährigen Reichs« aufgearbeitet. Geschildert werden die unterschiedlichsten Vorgänge, die bis auf die lokale Ebene durchschlugen: von der Einflussnahme und Machtausübung der Natioalsozialisten auf Staat und Gesellschaft, vom Pogrom auf jüdische Mitbürger und Gebäude, von der Bombardierung der Stadt über den Einmarsch der Alliierten bis hin zur Besatzungszeit.
Lübbecke wurde Garnisionsstadt und blieb es bis 1982. Und weil die Großstädte zerbombt waren, schlugen die Briten in Lübbecke ihr Hauptquartrier auf. Darüber existieren nur Erinnerungen: fotografieren war damals strikt verboten. »Deshalb haben wir unsere Fotoapparate auch im Garten vergraben«, erinnert sich ein Lübbecker. Und natürlich wird detailliert und aussagekräftig aus der bitteren Zeit nach Kriegsende berichtet: Lebensmittelbeschaffung, Kungeln, Tauschzentrale, Entnazifizierungs-Kommission - die älteren Lübbecker werden sich daran noch lebhaft erinnern können.
Gerade deshalb ist die neue Stadtdokumentation besonders wichtig: um den Nachkriegsgenerationen und den Kindern von morgen deutlich zu machen, »dass Krieg wie 'ne Krankheit ist«, wie ein Zeitzeuge sagt, - nur viel schlimmer.
Übrigens: Die Aufarbeitung der Kriegs- und Nachkriegszeit wird nicht das letzte Projekt des Stadtarchivs bleiben. Angedacht ist bereits die filmische Umsetzung der Geschichte des Burgmannshofes, der Landesburg Reineberg und des Alten Rathauses . . .

Artikel vom 08.02.2006