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Authentisches Sachbuch zur Stalin-Zeit

Sara Kosurmann schreibt in »Die Kolonie im Süd-Ural« über ihre Mutter Katharina

Von Felix Quebbemann
Espelkamp (WB). Katharina ist eine starke Frau. Sie lebt in einer deutschen Kolonie in Russland zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Und ihre Hauptsorge ist: »Wie bekomme ich meine Kinder durch den strengen Winter.«

Der Zweite Weltkrieg brachte Leid, Tragödien, Vertreibung und Tod hervor. Und mit dem Leben von Katharina und ihren Kindern in einem kleinen Dorf in Russland beschäftigt sich das Sachbuch »Die Kolonie am Süd-Ural«, das jetzt beim Mainzer Lermann Verlag erschienen ist. Geschrieben wurde es von der Espelkamperin Sara Kosurmann. Sie ist eine von acht Töchtern, die ihre Mutter Katharina zur Welt gebracht hat.
Sara Kosurmann wurde 1950 in Petrowka am Süd-Ural geboren. Sie ist die jüngste der acht Geschwister. Aus vielen Erzählungen ihrer Mutter aber auch ihrer älteren Geschwister, die die schreckliche Zeit des Zweiten Weltkrieges miterlebten, entstand schließlich die Grundlage für das Buch.
Auf die Idee, diese Erlebnisse niederzuschreiben, kam die 55-jährige Mutter zweier Kinder, als sie an einer Hamburger Akademie ein Fernstudium zur »Schule des Schreibens« machte. »Da habe ich dann schon gedacht, dass ich über meine Mutter und ihr Leben schreiben könnte«, so die Autorin. Während des Fernstudiums schrieb sie drei Kapitel fertig.
Nachdem Sara Kosurmann nach langer Suche einen Verlag gefunden hatte, schrieb sie noch weitere Auszüge aus dem Leben ihre Mutter nieder und es entstand ein Buch, das den Leser in eine Welt voller Entbehrung und einfachster Lebensverhältnisse mitnimmt.
Die Kindheit von Katharina war hart. Als junge Halbwaise musste sie Anfang der 1920er Jahre auf dem Hof des Großvaters »wie eine Erwachsene anpacken: das Melken der Kühe zweimal am Tag, die Verarbeitung der Milch und das Aushelfen in der Küche und im Gemüsegarten«. Am Abend waren die Hände geschwollen. Und schon in solch jungen Jahren musste sie mitansehen, wie ihr Untermieter, der Kommissar Adler, von Nomaden zu Tode gefoltert wurde. Mehr als dreißig Jahre später steht der Kommissars-Sohn Jurij vor Katharinas Haustür und bringt die Erinnerungen an die schlimme Vergangenheit wieder hervor.
Um authentische Fakten für das Werk zu erhalten, hat Sara Kosurmann mit ihren Schwestern und Cousinen telefoniert. »Denn die haben die Zeit des Weltkrieges miterlebt.«
1991 kam Sara Kosurmann mit ihrer Familie nach Deutschland. Bereits ein Jahr zuvor war eine ihrer Schwestern ausgewandert. »Unser Dorf wurde immer leerer. Und zwielichtige Personen kauften die leer stehenden Häuser für ein paar Rubel«, erzählt die Autorin. Da entschloss sie sich auch, nach Deutschland zu gehen. Mutter Katharina und Vater Heinz wagten ebenfalls im hohen Alter diesen Schritt. Aber die Unterbringung in Wohnheimen und Auffanglagern der Bundesrepublik weckten beim Vater schlimme Erinnerungen.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde er als Russlanddeutscher zum Arbeitsdienst in Sibirien abkommandiert. Aus den dortigen Lagern kamen viele Ehemänner nicht wieder. Zurück blieb Katharina mit den Kindern.
»Der warme Frühlingswind trug ein leises: ÝLebt wohl!Ü den Davonziehenden hinterher. Für viele Männer sollte es ein Abschied auf Nimmerwiedersehen sein«, heißt es in dem Buch. Es beginnt eine schwere Zeit, in der Katharina sowohl um ihr Leben als auch um das ihrer Kinder fürchten muss -Êbis zum Kriegsende.
Der Schritt, Ende des 20. Jahrhunderts nach Deutschland zu gehen, sei ihren Eltern nicht leicht gefallen, sagt Sara Kosurmann. Ihre Mutter und ihr Vater hätten häufig an die russische Heimat gedacht und seien der Meinung gewesen, dass das Abenteuer Deutschland eher etwas für die jüngere Generation gewesen sei, so die Autorin. Ihre Mutter Katharina starb 1994. Doch sie hat ihren Töchtern wertvolle Erinnerungen hinterlassen, von denen Sara Kosurmann, die übrigens schon in Russland das Fach Deutsch an der Mittelschule unterrichtete, einige in beeindruckenden Umschreibungen zu Papier gebracht hat.
Entstanden ist mit »Die Kolonie am Süd-Ural« ein Sachbuch, dass die Leidenszeit des Zweiten Weltkrieges hautnah vermittelt. Zwischen malerischen Umschreibungen der Landschaft hat die Autorin eine Handlung eingebaut, die den Schrecken der Zeit um 1940 hautnah vermittelt; und das aus der Sicht der Russlanddeutschen, die unter der Herrschaft Stalins und der damit verbundenen unbarmherzigen Verfolgung gelitten haben. Die kargen Lebensumstände werden dem Leser mit anschaulichen Beschreibungen der harten Arbeit ausführlich beschrieben. Und die schwere Aufgabe der Mutter, ihre Kinder ohne ihren Ehemann zu versorgen, lässt den Leser gespannt die Seiten umblättern. Autorin Sara Kosurmann ist bereits dabei, ein weiteres Buch zu schreiben. Worum es dabei geht, will sie noch nicht erzählen.
»Die Kolonie im Süd-Ural« ist aber unter anderem bereits in den Buchhandlungen Lienstädt & Schürmann sowie der Christlichen Bücherstube erhältlich (ISBN-13: 978-3-927223-65-3; ISBN-10: 3-927223-65-4).

Artikel vom 08.02.2006