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Hausarztpraxis über Nacht geschlossen

Patienten ratlos: Helge Mollerup gab Zulassung zurück - Zukunft in Südamerika geplant

Von Ralf Benner
Willebadessen (WB). Die Patienten sind ratlos und verärgert: Ohne eine Ankündigung hat der aus Dänemark stammende Allgemeinmediziner Helge Mollerup von einem Tag auf den anderen seine Praxis in Willebadessen geschlossen. Seine Zulassung als Kassenarzt gab er zurück, ohne seine Mitarbeiter, Patienten und Kollegen in der Region vorab darüber zu informieren.

»Ab dem 1. Februar 2006 bleibt die Praxis geschlossen. Ihre Unterlagen besorgt Ihnen Ihr neuer Arzt. Ich bedanke mich für Ihre Treue«, heißt es kurz und knapp auf einem Zettel an der Eingangstür. Für eine Stellungnahme war der 59-jährige Hausarzt gestern nicht zu erreichen. Erst vor zweieinhalb Jahren war Mollerup in die frühere Gemeinschaftspraxis Jeziorek eingetreten und hatte sie später übernommen.
Andreas Daniel, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) in Münster, sprach von einem »seltenen Fall«, der jedoch hin und wieder vorkomme. »Für die Patienten und Mitarbeiter kam dieser Schritt allerdings abrupt. Diese Vorgehensweise war nicht glücklich«, äußerte er Verständnis für die Betroffenen. Seinen vier Beschäftigten soll Mollerup am vergangenen Montag überraschend gekündigt haben. Der Facharzt für Allgemeinmedizin hatte am 31. Januar seine Zulassung zurückgegeben und mitgeteilt, er werde ins Ausland gehen. Als mögliches Ziel habe er Südamerika angegeben.
Die Gründe für die Schließung vermutet Daniel »im persönlichen Bereich«. Nach Erkenntnissen der KVWL ist die Praxis »immer ordentlich geführt« worden. »Unregelmäßigkeiten bei den Abrechnungen hat es nicht gegeben«, erklärte der Sprecher. Die KVWL werde sich nun die Krankenakten des Hausarztes besorgen und sie dann an die Ärzte weiterleiten, die sich fortan um die Patienten kümmern werden.
Sorgen um die ärztliche Versorgung im Ortsteil Willebadessen macht sich Bürgermeister Hans Hermann Bluhm. »Es sieht schlecht aus. Für 3000 Einwohner gibt es im Ort jetzt nur noch eine einzige Praxis«, stellte er fest. Er werde sich persönlich dafür einsetzen, dass schnell die Zulassung für einen neuen Kassenarzt erteilt wird.
Die Kassenärztliche Vereinigung versicherte gestern auf Nachfrage des WESTFALEN-BLATTES, sie werde sich nach Kräften um einen Nachfolger für Helge Mollerup und die nach ihren Informationen wieder zum Verkauf stehende Praxis bemühen. »Es wird jedoch immer schwieriger, junge Ärzte für eine ländliche Region wie den Kreis Höxter zu gewinnen«, dämpfte Andreas Daniel jedoch allzu große Erwartungen.
Dr. Alicja Schmitz, nunmehr einzige Ärztin im Ortsteil Willebadessen, bezeichnete das Verhalten ihres Kollegen als unkollegial und unverantwortlich den Patienten gegenüber. Sie vermute, dass der Allgemeinmediziner in Willebadessen für sich keine Zukunftsperspektiven mehr gesehen habe. »Als Folge der Gesundheitsreform mussten alle Ärzte bei ihrer letzten Endabrechnung große Einbußen hinnehmen, vielleicht gab das den Ausschlag«, spekulierte sie.
Die Hausärztin verzeichnete in den vergangenen Tagen einen regen Zulauf. Etliche verunsicherte Patienten seien zu ihr gekommen. Auch um die Patienten, die Helge Mollerup in der Seniorenwohnanlage Willebadessen betreut habe, müsse sie sich nun kümmern. Der Arbeitsaufwand sei derzeit sehr hoch. »Die ärztliche Versorgung ist aber durch die Kooperation der Ärzte in der Region gesichert«, gab die Ärztin Entwarnung. Nur auf Dauer müsse ein weiterer Allgemeinmediziner gefunden werden, der die Patienten vor Ort betreue.

Artikel vom 04.02.2006