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2220 Kilometer - der Liebe
zur Musik halber nach Halle

Ein Grieche ist glühender Fan der Bach-Tage

Von Klaudia Genuit-Thiessen
Halle (WB). In den wunderbaren Konzertsälen Thessalonikis sind Weltstars und berühmte Chöre zu hören. In der Haller St. Johanniskirche singt der Bachchor, ergänzt von ausgezeichneten Musikern. Doch jedes Jahr zu den Bach-Tagen fährt Leon Roidis aus der griechischen Millionenstadt 2220 Kilometer weit, mitunter 30 Stunden non-stop - der Liebe zur Musik halber.

Crysoleon Roidis (67) ist Grieche mit einer - angeheirateten - Wurzel in Halle: Schwiegermutter Helene Thomannschefsky lebt in der Lindenstadt. Der »goldene Löwe« aus Thessaloniki - so lautet die Übersetzung seines ungewöhnlichens Namens - war nach dem Studium in Berlin und München als Diplom-Ingenieur für Nachrichtentechnik viele Jahre beim griechischen Fernmeldeamt tätig und ist inzwischen im Ruhestand. Seit er über Pastor Friedrich-Karl Völkner Kirchenmusikdirektor Martin Rieker kennen gelernt hat, kommt er nicht nur zu Weihnachten und im Sommer nach Halle, sondern regelmäßig im Februar zu den Bach-Tagen - mitunter auch ohne seine Frau Jutta, die daheim beim Goethe-Institut arbeitet.
»Unvergesslich« ist für den glühenden Klassik-Liebhaber noch immer die Haller Aufführung von Monteverdis »Marienvesper« 1999. Doch auch das Programm beim gestrigen ersten Chorkonzert mit Schein, Bach und Brahms war »ganz nach seinem Geschmack«.
Vieles von dem, was er bei Konzerten in Halle schon gehört, hat der vielseitig interessierte Musikfreund selbst schon gesungen. In Thessaloniki verstärkt er in einem Chor den Bariton.
Und ob in einer mehrstimmigen Motette von Schein, Scheidt oder Schütz, drei Säulen des frühen Barock, Ɗbeispielsweise Lothar Möller mitsingt oder ausnahmsweise doch Georg Hage, ob Elke Knuffinkes Stimme mit einem zweiten Sopran den ganzen Kirchenraum füllen kann - das hört Leon Roidis genau. Seit Jahren ist er eine stille Konstante in der Kirche, ein Fan und Freund der Haller Sänger.
Einer, der schon Stunden vor dem Beginn der Konzerte mäuschenstill in der Kirche sitzt. Weil er die Atmosphäre mag, weil es ihm imponiert, wie ein Werk mit Martin Rieker entsteht, weil er neugierig ist, warum etwas wie gemacht wird.
Eine ganze Reihe von Hallern hat Leon und Jutta Roidis inzwischen auch schon in Thessaloniki besucht. Sozusagen als »ständige Vertretung« der Lindenstadt ist das Haus Roidis Anlaufpunkt für die Pilger, die den Heiligen Berg Athos ansteuern. Der »goldene Löwe« mit der Begeisterung für Musik kocht dann für alle Freunde seine leckere Fasolada, eine weiße Bohnensuppe . . .

Artikel vom 04.02.2006