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Von Oliver Horst

Versmolder
Aspekte

Politik muss den Rotstift zücken


Die Situation ist ernst. So ernst, wie es sich viele vor kurzem kaum vorstellen konnten -Êund einige scheinbar noch nicht wahrhaben wollen. Doch wenn es noch Belegen bedurfte, hat diese Woche sie geliefert: Die Stadt Versmold geht finanziell am Stock - und schweren Zeiten entgegen. Da ist das Schreckgespenst der Abschaffung des Solidarbeitraggesetzes durch die Landespolitik, was gleichbedeutend mit einem Haushaltsloch von einer halben Million Euro schon in 2006 wäre und auch in den nächsten Jahren Spuren hinterließe. Sollte Versmold in diesem Punkt ungeschoren davonkommen, droht als kleineres Übel eine um mindestens 200 000 Euro höhere Kreisumlage.
Da ist das Wrobbel-Gelände, für dessen Sanierung 410 000 Euro an Fördermitteln bereitstehen, an der die Stadt sich aber selbst mit einer bislang nicht eingeplanten Summe von etwa 175 000 Euro beteiligen müsste, falls kein Investor gefunden wird. Vom Vorhaben, eine neue Sporthalle zu errichten, ganz zu schweigen. Und da ist der neue Wille der Politik, entgegen dem Vorschlag der Stadtverwaltung schon in diesem Sommer den Ganztagsbetrieb an der Hauptschule einzuführen. Kostenpunkt hierfür: 50 000 Euro in diesem Jahr, anschließend mindestens 100 000 Euro jährlich und zusätzliche Einmal-Investitionen. Ein mutiger Zukunftsschritt, aber auch einer, der Konsequenzen haben müsste.
Die in diesem Zuge geführte Diskussion im politischen Fachausschuss, aus welcher Quelle das Geld kommen soll, hat die Zukunft vorgezeichnet: Der Rotstift wird gezückt werden müssen. Der Zuschuss an die GAB, die berufliche Förderung und Qualifizierung von Arbeitslosen betreibt, ist in Frage gestellt worden. Das Theaterprogramm wurde kurzzeitig zur Disposition gestellt. Die stark subventionierten Nahverkehrsangebote Taxibus und Anrufsammeltaxi dürften sich auf dem Prüfstand wiederfinden.
 elbst wenn diese drei Beispiele umgehend »kassiert« würden, wäre damit nur die Startphase der Ganztagshauptschule zu finanzieren. Die Botschaft aber ist deutlich: Immer mehr Projekte bei immer knapperer Kasse -Êdiese Rechnung kann nicht aufgehen. Schon der aktuelle Haushalt, in dem keine großen Einzelinvestitionen wie in der Vergangenheit -Ê Hallenbad oder Feuerwehrgerätehaus, Schulanbau oder neues Jugendzentrum - Êzu finden sind, weist ein strukturelles Defizit auf. Es stehen spürbare und damit auch schmerzhafte Einschnitte bevor. Wenn nicht in diesem Jahr, dann im nächsten. Noch kann die Stadt ihr Sparbuch plündern, doch auch hier ist das Ende der Fahnenstange schon in Sicht.
Die öffentlichen Haushalte sind überreizt, das zeigen vor allem auch die auf Landesebene bevorstehenden Kürzungen, die die Kommunen treffen. Dass Versmold mit seinen konkreten Finanzsorgen zum besten Drittel in NRW zählt, sagt eigentlich alles. Dem Bürger, als Steuerzahler Finanzier des Systems, werden liebgewordene Gewohnheiten genommen werden müssen. Dieser Schritt birgt Zündstoff, aber auch Chancen. Diese Herausforderung anzunehmen, ist nicht nur Aufgabe von Stadtverwaltung und Politik, sondern auch von Wirtschaft und Bürgern. Dass in Versmold nicht die Lichter ausgehen, auch dafür gibt es aktuelle Beispiele. Ob geplante Betriebserweiterungen wie jene der Feinkostfirma Fledi, der von Privatinvestoren initiierte Tennishallen-Neubau oder das Engagement von Organisationen und Verbänden beim neuen »Haus der Familie«.

Artikel vom 04.02.2006