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Kommentar
Syrien

Volkszorn freien Lauf gelassen


Brennende Botschaften, zehntausende wütende Demonstranten: Die gewalttätigen Proteste der islamischen Welt gegen die als Gotteslästerung empfundenen Karikatur-Zeichnungen in europäischen Zeitungen schockieren den Westen.
Anders als im Libanon oder in Gaza darf man im Falle Syriens allerdings bezweifeln, dass es allein der Volkszorn erboster Muslime war, der am Wochenende zu den besonders gewalttätigen Protesten geführt hat. Syrien ist ein straff organisierter Polizeistaat. Kaum vorstellbar, dass die sonst allgegenwärtige Staatsmacht die Gewalt gegen die dänische und die norwegische Botschaft nicht hätte stoppen können, wenn sie es denn gewollt hätte.
Doch dem angeschlagenen Regime in Damaskus kamen die Proteste offenbar nicht ganz ungelegen, weil sie von innenpolitischen Problemen ablenken. Denn Präsident Baschar al-Assad steht unter Druck, seitdem Ermittlungen der Vereinten Nationen den Verdacht genährt haben, dass syrische Stellen an der Ermordung des früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Harriri beteiligt gewesen sind.
Nun aber hat der Volkszorn ein neues Ziel gefunden - den Westen. Warum also sollte Syrien die Proteste stoppen? Andreas Kolesch

Artikel vom 06.02.2006