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Entgiftung:
Ärzte gesucht

Bilanz der Drogenberatungsstelle

Bünde (pjs). Die Zahl der »Klienten«, die im vergangenen Jahr Kontakt zur Drogenberatungsstelle (Drobs) des Diakonischen Werks in Herford aufgenommen haben, ist gegenüber 2004 um 48 auf 399 zurückgegangen. 77 Prozent dieser Personen sind heroinabhängig. 200 Männer und Frauen befinden sich in einer so genannten Substitutionstherapie, also einer Behandlung mit Drogenersatzstoffen wie Methadon.

Drobs-Leiter Uwe Schnier zog eine Bilanz der Arbeit der Beratungsstelle an der Hämelinger Straße 10 in Herford, die auch für Bünde zuständig ist. Problemdroge Nr. 1 ist Heroin, gefolgt von Cannabis mit einem Anteil von 14,6 Prozent und Kokain (2,9 Prozent). Lediglich 15 Prozent der Heroinabhängigen suchen einer Studie zufolge die Hilfe von Drogenberatern. Demzufolge läge auch im Kreis Herford die Dunkelziffer bei 85 Prozent, die Zahl der Heroinabhängigen bei knapp 3000. Acht Klienten der Drogenberatungsstelle sind 2005 gestorben.
Schwerpunktthema und Ziel der Drogenberater ist die Ausweitung der wohnortnahen Methadonbehandlung. »Noch immer gibt es nicht genügend substituierende Ärzte«, bedauert Schnier: Entsprechende Praxen fehlen nach wie vor in Spenge, Löhne, Vlotho, Hiddenhausen und Kirchlengern. Dies sei vor allem ein Problem für Drogenabhängige, die in Ein-Euro-Jobs vermittelt würden. Hier kollidiere die Pflicht zum Arbeitseinsatz am Wohnort oftmals mit der Notwendigkeit, sich die verschriebene Methadon-Dosis beim substituierenden Arzt in einer anderen Gemeinde abholen zu müssen. Eine Alternative biete die »Konsiliarregelung«: Danach können auch Ärzte, die nicht über die vorgeschriebene suchtmedizinische Fortbildung verfügen, bis zu drei Patienten mit Methadon versorgen. Voraussetzung: Der Mediziner muss diese in regelmäßigen Abständen zusätzlich zu einem substituierenden Kollegen schicken. »Ein Problem ist, dass Drogenabhängige zum Teil in den Praxen nicht gern gesehen werden«, sagt Schnier.
Angestiegen ist die Zahl der Beratungen im Zusammenhang mit Cannabiskonsum von gut acht Prozent in 2004 auf 14,6 im vergangenen Jahr. »In Deutschland gibt es bis zu sechs Mio. Cannabiskonsumenten«, schätzt der Drobs-Koordinator. Ecstasy-Konsumenten haben die Berater mit ihrem Angebot noch nicht erreicht: Um das zu ändern, müssten sie »vor Ort«, beispielsweise in Discotheken, tätig werden - dazu fehlen Kapazitäten: Die überwiegend vom Kreis finanzierte Drogenberatung verfügt lediglich über vier Personalstellen, die auf fünf Sozialpädagoginnen und -pädagogen verteilt sind.
Regelrechte Drogenszenen wie in Großstädten gebe es in Herford nicht, betont Schnier. Rauschgift werde häufig im häuslichen Bereich konsumiert. Ein beliebter Junkie-Treffpunkt sei nach wie vor der Aawiesenpark in Herford.
Von den 399 Klienten haben 47 Prozent einen Migrationshintergrund: »31 Prozent sind Aus- und Übersiedler aus der ehemaligen Sowjetunion und Polen«, erläuterte Schnier. Offenbar sei hier die Hemmschwelle geringer, wenn es um den Griff zur Spritze gehe: »Ohne die Zuwanderung aus Osteuropa wäre der Rückgang bei den Heroinkonsumenten deutlich größer ausgefallen.«
Als enttäuschend bezeichnete Schnier die Kooperationsmöglichkeiten mit der Psychiatrischen Klinik am Herforder Klinikum, deren Kapazitäten zu gering seien. Die Hoffnung, Drogensüchtige dort in einer speziellen Suchtstation entgiften lassen zu können, habe sich nicht erfüllt. Lediglich Notfälle würden aufgenommen. »Folge ist, dass wir Klienten zur Entgiftung in Kliniken außerhalb des Kreises fahren müssen - teilweise bis nach Marsberg«, kritisiert er: »Das bindet Personal und verursacht unnötige Kosten.«
www.drogenberatung-herford.de

Artikel vom 04.02.2006