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Von Pfarrer Eckhard Teismann

Das Wort zum Sonntag


Gott gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid.«
Mancher, der von sich sagt, er glaube nur, was er sehe, wäre gut beraten, sich diesen biblischen Satz aus dem Epheserbrief nicht nur vor Augen zu führen, sondern zu Herzen zu nehmen. Dass man dem äußeren Augenschein nicht immer trauen kann, das weiß jeder, der einmal einem Zauberkünstler zugeschaut hat. Da werden unsere Augen ausgetrickst, so dass wir sehen, wie offenbar die unmöglichsten Dinge passieren: Zersägte Menschen werden wieder ganz, Jungfrauen schweben scheinbar ganz schwerelos und vieles andere mehr. Natürlich hat alles seine logische Erklärung, beruht eben auf Tricks. Die werden natürlich nicht verraten, denn Zaubertricks, die jeder kennt, sind langweilig.
Von erleuchteten Augen des Herzens ist nun die Rede, die hinter die Dinge schauen und da die Hoffnung entdecken, zu der wir berufen sind. Nicht dass nun alle Geheimnisse und Rätsel dieser Welt gelöst werden, wird versprochen, nicht dass wir allen Tricks Gottes auf die Spur kämen. Das wäre auch sinnlos, denn Gott hat gar kein Interesse, uns auszutricksen.
Allerdings blickt man mit dem Herzen tiefer als mit bloßem Augenschein. »Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.« Das wusste schon der Fuchs in St. Exupérys berühmten Buch »Der kleine Prinz«.
Wer mit dem Herzen sieht, der ist kein unbeteiligter Zuschauer. Der ist mittendrin. Wer als unbeteiligter Zuschauer etwa auf das Kreuz Jesu blickt, der sieht das unrühmliche Ende eines jüdischen Wanderpredigers, zerrieben zwischen den Mühlen religiöser und politischer Macht. Die Bibel will uns aber zu einer tieferen Sichtweise verhelfen. Sie sieht hier Gottes Liebe am Werk, vor der selbst der Tod nicht sicher ist. Für den, der dieser Liebe vertraut, der mit dem Herzen sieht, beginnt hier die Hoffnung erst. Der lernt die Welt mit den Augen Gottes zu sehen. Für den gibt es keine hoffnungslosen Fälle mehr, denn es gibt keinen Ort mehr, der der Liebe Gottes verschlossen bliebe.
Die Hoffnung, zu der wir berufen sind, erkennen wir aber erst, wenn wir der Macht der Liebe Gottes trauen. Der äußere Augenschein sieht nur allzu oft nach dem Gegenteil aus. Darum kommt es allzu schnell dazu, dass wir den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Zukunftsangst breitet sich aus und Hoffnung schwindet, auch unter Christen, auch in der Kirche. Wer aber der Macht der Liebe Gottes traut, wird nicht nur die Krisen sehen, sondern auch die Chancen.
Dietrich Bonhoeffer, der von den Nazis ermordete evangelische Theologe, dessen hundertsten Geburtstag wir Anfang Februar feiern, hat es so formuliert: »Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.«
Solcher Glaube lohnt sich, ist aber nicht von uns machbar, sondern bleibt Geschenk Gottes. Darum hat der Wunsch aus dem Epheserbrief auch für uns seine Berechtigung: Gott gebe auch dir und mir erleuchtete Augen des Herzens, damit wir erkennen, zu welcher Hoffnung wir durch ihn berufen sind.

Artikel vom 04.02.2006