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Behinderte träumen vom Titel

WM-Organisatoren und der DFB bauen eine Brücke nach Stemwede-Wehdem

Wehdem (ko). Viele waren in Stemwede gestern beim großen bekannten internationalen A-Junioren-Pfingstturnier noch unbekannte Persönlichkeiten, heute spielen sie in der Bundesliga, um Champions-League-Titel und sogar bei der Fußball-WM, wenn in Kürze Klinsmann und Co. einladen.

Sie alle träumen vom Titel. Unbekannte Persönlichkeiten, wie beispielsweise Ramon Horrocks (Torwart) und Kai Thiele (Mittelfeldspieler aus Bad Oeynhausen), die beim TuS Volmerdingsen spielen, träumen ebenfalls vom eigenen WM-Titel, wenn sie vom 26. August bis 17. September ebenfalls in Deutschland an der Fußball-WM teilnehmen - an der Fußball-WM für Menschen mit geistiger Behinderung.
Sie träumen aber noch mehr davon, dass Behinderung als etwas völlig Normales anerkannt und akzeptiert wird - Integration mehr als nur ein Schlagwort ist. Ja, Andersartigkeit sogar eine Bereicherung sein kann für Effekte, die über einen Tag oder vier Jahre bis zur nächsten WM hinaus gehen. Dafür spielen sie.
Damit dieses Ziel ein Stück mehr erreicht wird, bauen die WM-Organisatoren zusammen mit dem DFB eine Brücke über die WM der »Normalen« zurück zum Pfingstturnier.
Stemwede-Wehdem ist am 4. September um 16.30 Uhr Ausrichter eines Vorrundenspiels der WM für Menschen mit Handicaps und misst sich dabei mit Städten wie München, Dortmund und Gelsenkirchen. Und auch die Schüco-Arena (Bielefeld) ist Schauplatz von Vorrundenspielen. Die Teilnehmer kommen aus 16 Kontinenten, gespielt wird an 40 Orten. Wehdem darf unter anderem von Korea oder Japan träumen, definitiv wohl nicht in Wehdem werden die Deutschen sein.
Eingebunden ist selbstverständlich ein großes Rahmenprogramm. Dass dieses gut besucht wird, begründen die Organisatoren des Pfingstturniers, Wolfgang Rosengarten und Bürgermeister Ekkehardt Stauss, die auch für die Organisation des WM-Spiels verantwortlich zeichnen, mit der Zuversicht der Tradition vom Pfingstturnier und seinem Umfeld.
Warum gerade Stemwede: Pfingsten - Fußball - Leidenschaft - Seit 28 Jahren steht dieser Name für das Internationale A-Junioren-Pfingstturnier. Vom sportlichen Stellenwert ist es stets gewachsen. In all den zurückliegenden Jahren wurden hierbei aber auch Brücken in alle Teile der Welt gebaut, Freundschaften geschlossen - und vor allem Integration gepflegt - nicht zuletzt auch mit der Einbindung des Lebenshilfe-Cups, der seit fünf Jahren fester Bestandteil des Großereignisses in Stemwede ist.
Und gerade der letzte Baustein, die Leidenschaft für die menschliche Seite, die Gastfreundlichkeit, die das Pfingstturnier nach außen zeigt, die Gabe, ein Sportereignis mit Leben und Liebe zu füllen, hat die Organisatoren der Fußball-WM für Menschen mit geistiger Behinderung, die in diesem Jahr in Deutschland stattfindet, dazu veranlasst: »Hier muss auch ein Spiel dieser WM stattfinden.«
Die geballte Kompetenz und das »Ballgefühl« für die Bedeutung des Sports waren Ausschlag gebend dafür, dass Stemwede in diesem Jahr Ausrichter eines Weltmeisterschaft-Vorrundenspiel der Fußball-Weltmeisterschaft der Menschen mit geistiger Behinderung ist.
Der Deutsche Behindertensportverband (DSB), der Behindertensportverband NRW (BSNW) sowie Bundesvereinigung und der Landesverband NRW der Lebenshilfe haben eine gemeinnützige GmbH gegründet, die »Fußball WM 2006 der Menschen mit geistiger Behinderung gGmBH«, die das Turnier organisiert. Organisatoren vor Ort sind das Turnier-Team des TuS Stemwede sowie die Lebenshilfe Lübbecke.
Im Rahmen einer Pressekonferenz wurden unter anderem der Hauptorganisator und die Hauptsponsoren, dies sind die Sparkasse Minden-Lübbecke, Autohaus Blase, sowie PWC Oldenburg, vorgestellt. Deren Vertreter drückten einheitlich aus, dass es eine gute Sache sei, für die sie sich einsetzen und die sie unterstützen. Und alle Partner zusammen wollen zeigen, dass Fußball Menschen verbindet, Integrationskraft schafft.
Ralf Kuckuck, Geschäftsführer der Fußball-WM für Menschen mit Behinderung gGmbH aus Halle, erklärte, dass sich Stemwede vier Wochen nach dem Endspiel in Berlin bei der WM für Behinderte nicht verstecken braucht. Beim Pfingstturnier habe er gesehen, dass hier Behinderte auch nicht versteckt werden.
Torwarttrainer Peter Lewecke aus Lemgo würdigte das Engagement des Pfingstturniers, das nie aufgibt und immer etwas Neues bieten möchte. »Die Spieler unserer Mannschaft geben ebenfalls nie auf«, so Lewecke.
Ramon Horrocks und Kai Thiele aus Bad Oeynhausen, die beide zur Nationalmannschaft gehören, erklärten, dass für sie das Zusammenspiel in der Mannschaft im Vordergrund stehe. Und dieses wünschten sie sich auch von außen.
Horst Bohlmann, Vorstandsvorsitzender der Lebenshilfe Lübbecke, stellt fest, dass sich die Behinderten bei dieser Weltmeisterschaft nach außen öffnen möchten und Wehdem stolz sein darf, Schauplatz zu sein. Mit dem Stemweder-Turnierteam, so sei er sich sicher, haben die Fußball-WM-Macher einen guten Partner gewählt. »Stemwede braucht sich vor Städten wie München, Gelsenkirchen oder Dortmund nicht verstecken. Es kommt nicht nur auf das Stadion an, sondern auch auf die Menschen, die hinter solch einem Ereignis stehen. Und hier wird Stemwede ganz weit oben stehen. Da bin ich mir sicher«, so Bohlmann. Gerd Rybak, stellvertretender Vorsitzender des TuS Stemwede, erklärte, dass dieses Spiel eine Auszeichnung für den Verein und das Turnier-Team ist. Er ist sich sicher, dass die einzige Sparte des TuS Stemwede, die keinen Sport betreibt, das richtige Organisations-Geschick besitzt, hier auf dem »platten Land« ein WM-Spiel zu organisieren.
Der »Botschafter« des Vorrundenspiels der Fußball-WM für Menschen mit geistiger Behinderung, Landrat Wilhelm Krömer, erklärte den letzten Zweiflern, ob Stemwede ein würdiger Ort wäre: »Sogar die Brasilianer kommen jedes Jahr zu Pfingsten gerne wieder. Was soll man da noch überlegen.« Er sei stolz darauf, dass er den Titel »Botschafter« tragen dürfe.
Bürgermeister Ekkehardt Stauss misst der Bedeutung, die Bevölkerung für die Integration zu sensibilisieren, hohen Wert zu. Dass dies mit einem solchen Ereignis in Stemwede möglich sei, dafür dankte er der Lebenshilfe und dem Turnier-Team.
Grußworte sprachen auch Lübbeckes Bürgermeisterin Susanne Lindemann sowie Bündes stellvertretender Bürgermeister Reinhard Spanier, als Vertreter der Städte, in denen die Lebenshilfe eine Zweigstelle hat.

Artikel vom 02.02.2006